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Driedorf24-Ohne Finale

Zwei Wochen nach dem Gravelevent in den Niederlanden, bin ich schon wieder hier – als Dauercamper auf der A5. Es ist Freitagmittag, wir wollen Richtung Frankfurt und kämpfen uns motiviert durch die Staus. Unser Ziel lautet Driedorf, um dort von Samstag auf Sonntag um die Plätze beim 24h Rennen zu kämpfen. Es ist kurz vor 18 Uhr und in einem gewagten Überholmanöver des Todes, umschifft Pamela die letzten verbliebenen Autos, um die Einfahrt zur Autobahnraststätte zu bekommen. 

Gleich ist Anpfiff Deutschland-Spanien und wir unterbrechen unsere Anreise für Pasta Party und Fußball gucken im Camper. Auf dem Rastplatz entsteht eine überraschende Gruppendynamik: Heute sind wir alle gleich. Heute sind wir eine Einheit. Murat im Kanackendreier, Trucker Tony im Viehtransporter oder Helmut im Toyota Prius mit Deutschland Trikot und farblich angepassten Socken in seinen Sandalen. Alle steigen aus, um Fußball auf dem Tablet oder Handy zu gucken.  

Wir nutzen die Halbzeitpause, um die letzten Kilometer nach Driedorf zurückzulegen und richten unser Fahrerlager ein. Es ist ruhig hier. Wir werden herzlichst vom Orgateam empfangen und schauen uns die letzten Minuten des heldenhaften, aber erfolglosen Kampfes unserer DFB-Auswahl im Verpflegungszelt an.  

Morgen um 13 Uhr startet mein Überlebenskampf auf der 5 Kilometer langen mit 130 Höhenmeter gespickten Strecke. Auch ich werde das Finale nicht erreichen. 

Samstag 12.50 Uhr.  

Sabine vom Orgateam instruiert kurz vor dem Start noch das überschaubare Fahrerfeld. Driedorf24 findet im 2-Jahres Zyklus statt. Ungeschickterweise wird heute auch, wenige Kilometer entfernt, das Stöffelrace ausgetragen und so stiehlt man sich leider auch die Teilnehmer. Ich mag die Atmosphäre hier, das Event wird ehrenamtlich vom  örtlichen Verein organisiert und alle sind mit Herzblut dabei. Die Stimmung ist familiär und mit der Startgebühr unterstützt man den Radsport vor Ort. 

Der Startschuss fällt, ich fahre wie immer meinen Rhythmus, versuche mich in den ersten Stunden in den Top10 zu platzieren, um mich später nach vorne zu arbeiten. 

So kämpfe ich mich in den ersten vier Stunden auf Platz drei. Der Führende hat mich schon mehrfach überrundet und nun kommt der Zweitplatzierte und letztmalige Sieger, um das ebenfalls zu tun. Zwar kann er zu mir aufschließen, schneller ist er aber nun nicht mehr und so ziehen wir zu zweit unsere Runden. „Entweder er fährt nun taktisch mit mir mit, oder er hat in der Startphase etwas überpaced“ denke ich mir. Sollte es Letzteres sein, will ich ihm nicht die Chance zum Erholen geben und forciere hier und da das Tempo. 

Meine drei Mädels sind auch in Hochform. Es ist das erste 24h Rennen, welches Tochter Mayla und Soe May betreuen, angeführt von Gattin Pamela. Das erste Mal die Nacht durchmachen, das erste Mal dem Rausch von Paulaner Spezi und Energy Drinks erliegen. Sie sind förmlich im Blutrausch des Betreuerdaseins. 

Es wird stürmisch, dunkle Wolken versammeln sich über Driedorf. Der angekündigte Regen setzt ein. Während die Temperaturen fallen, kann das Wasser der Stecke aus Asphalt und Schotter wenig anhaben. Lediglich dem Sahnetrail mit Anliegern und Pumptrack, welcher das Highlight des Rundkurses darstellt, setzt der Regen erheblich zu. 

Schon in der ersten Abfahrt, werde ich vom Matsch so zugespachtelt, man könnte meinen ich gehöre zu Tonys Viehtransporter. Pamela weiß intuitiv was zu tun ist, mit ner PET-Flasche voll Wasser reinigt sie mir im Aufstieg nach Start/Ziel das Ritzelpaket, erwischt aber im Übereifer meine Füße. So bekomme ich nun zur Fangopackung noch eine mobile Kneippkur. Betrachtet man die 70€ Startgebühr, geht Wellness auch teurer! Soe May und Mayla habe sich ihre grünen Regenmäntel übergestülpt und ich werde von nun an von Anästhesisten bereut 😊 

Es ist nass und kalt. Immerhin hat der Regen aufgehört, der Trail trocknet langsam ab. Ich will diesen ersten Stint bis zur Lichtpflicht um 20:30 Uhr ausreizen und dann erst auf trockene Kleidung und ein frisches Bike wechseln. Ich bin weiterhin auf Platz 3, verliere aber durch den Stopp den Anschluss zum Zweitplatzierten, welcher nun eine Runde Vorsprung hat. 

Noch vier Stunden bis zur Halbzeit. Monotonie und Langeweile macht sich breit. Lässt man den spaßigen Flowtrail außer Acht, hat die Strecke nicht viel zu bieten. Man fährt über lange Geraden hoch und runter, nicht mal ne Handvoll kurven. Am höchsten Punkt läuft zwar etwas fetzige Rockmucke, aber es ist null Stimmung. Keine Zuschauer, kein Fahrerlager an der Strecke, kaum Weggefährten, weil sich alles mittlerweile auf der Strecke verteilt hat. Ich verliere mich in der Einsamkeit, den Blick auf den Tacho gerichtet, die Minuten zählend.

Ich bin etwas angeknocked, habe erste Krämpfe. Den entscheidenden Trainingsblock auf dem Bike habe ich wegen einer Weisheitszahn Operation vor 4 Wochen verpasst. Statt mich ans Bike zu gewöhnen gab´s also ne geschwollen Hackfresse und Schmelzflocken. Aber ich krieg mich schon wieder ein, gleich ist Halbzeit. Etwas schockiert bin ich über die bisherigen Daten. Nach knapp 11 Stunden habe ich schon 5.000 Höhenmeter in den Beinen. Mit meinem elefantenhaften Erscheinungsbild ist diese Summe nix, was mein Körper so schnell weg atmet und die Vorfreude auf die weiteren Steigungen ist arg getrübt. In der Senke zum Start/Ziel war es schon immer kühler als auf dem Rest der Strecke, aber nun wird es erheblich kalt. Der Garmin zeigt nachts um drei, 5 Grad C an. Ich bin mittlerweile eingepackt in Thermotrikot, Windjacke und Buff. Unfassbar – es ist Juli und ich fahre im Winteroutfit durch die Nacht. 

Mayla haben wir vor Stunden ins Bett geschickt und auch Soe May hat beim letzten Stopp vor Kälte und Müdigkeit so gelallt, wie ich zu meiner besten Discozeit. Auch sie geht nun schlafen, während Pamela, gekleidet wie ein Eskimo (oh sorry, ein indigener Bewohner des Polargebiets) die Stellung hält. Ich bin seit mehreren Runden zur Notschlachtung bereit. Mir ist klar, dass man leidet, dass es schwierige Phasen gibt, welche man aussitzen muss. Üblicherweise werden dies Phasen aber immer mal durch kleine Zwischenhochs, herbeigeführt durch Red Bull, einen warmen Tee oder nem Energygel, kurzzeitig unterbrochen. 

Diesmal ist es eben nicht so. Ich halte immer kurz an, um zu Essen, zu trinken, mich wärmer zu kleiden, aber mir wird immer kälter, ich werde immer kraftloser und somit auch langsamer. 

Platz 2 ist schon längst ausgestiegen, somit habe ich diesen Platz jetzt inne. Ich quäle mich weitere 2 Stunden in Richtung Sonnenaufgang, doch selbst das belebende Gefühl der Morgensonne bleibt aus. 

Die schlechte Vorbereitung, der fehlende Trainingsblock auf dem Bike, die Kälte oder die vielen Höhenmeter. Es mag vielschichtige Gründe geben, warum ich heute nicht performe, wie ich es gewohnt bin. Man kann es aber auch einfach Ausreden nennen.

Ich bin das Rennen strategisch so angegangen, dass ich um das Podium fahre, dort stehe ich nach 16 Rennstunden. Mir fehlt aber gerade alles, um dieses Podium ins Ziel zu retten. Kraft, Ausdauer, Mut und Willensstärke. 

Gegen 5 Uhr beende ich das Abenteuer Driedorf24. Wir packen zusammen und machen uns auf den Weg nach Hause, während das Rennen noch 6 Stunden läuft. Auf unserer Rückreise in den Schwarzwald checken wir die Ergebnislisten wie die Fahrer versuchen meinen Vorsprung wieder aufzufahren. Lediglich 3 Fahrern gelingt es in den verbleibenden Stunden aufzuholen und ich beende somit das Rennen auf Platz 5. 

Happy ride

Euer

Daniel