Schönbuch Trophy- Welcome fette Hummel
Endlich ist es soweit, die Rennsaison startet. Wie immer zu diesem Zeitpunkt bin ich etwas mindfucked. Seit November bereite ich mich auf die Saison vor, zahlreiche Zwift Sessions gefolgt von einem finalen Trainingslager an Ostern mit vielen Trainingsstunden im Regen, haben mich mental müde gemacht. Es wird endlich Zeit den monotonen Trainingsrhythmus zu unterbrechen, sich mit dem Rennfeeling zu belohnen und endlich in die Saison zu starten. So ging´s am vergangenen Wochenende zur Schönbuch Trophy nach Herrenberg, um mich bei läppischen 24 Kilometern bei einer Stunde Renndauer so richtig aus dem Leben zu treten. Zwar habe ich mich in meinem Training wieder gezielt auf 24 Stundenrennen vorbereitet – mit dieser Art der Saisoneröffnung, mache ich aber genau das Gegenteil von „Ultralang“. Eine Stunde Vollgas, statt dosiertes Fahren, kurz sterben statt lange leiden, Sekundenjagd statt 24h Countdown. Genau das ist die Abwechslung, die ich jetzt brauche und so stehe ich motiviert am Samstag um 10 Uhr im Startblock der Schönbuch Trophy.
Wie schon im Vorjahr befindet sich dieser direkt in einer Steigung. Somit ist einrollen, Windschatten fahren, sich in der Gruppe verstecken erst einmal gestrichen. Zwar kündigt der Veranstalter liebevoll an, dass man neutralisiert hinter einem Quad in den Berg startet. Wenn selbiges das aber mit 30 km/h tut, ist dabei so gar nix neutralisiert. So dauert es also keine 2 Minuten bis mir der Puls gnadenlos gegen die Schläfe hämmert, die Beine brennen und mir der Blutgeschmack in der Fresse hängt. Trotz Anschlag und 500 Watt auf der Kurbel, werde ich gruppenweise überholt. Viele Fahrer und vor allem die Jüngeren sind hier explosiv wie Dynamit. Während ich maximal so explosiv wie das gleichnamige Starmagazin auf RTL bin, muss ich mit ansehen, wie gefühlt das ganze Teilnehmerfeld inklusive der älteren Dame mit ihrem Rollator, welche ich beim Warmfahren heute früh noch über die Straße gewunken habe, in diesem ersten Uphill an mir vorbeizieht.
Nachdem sich die Startphase beruhigt hat, formieren sich einzelne Grüppchen. Ich selbst schaffe den Sprung in eine 4-Mann Truppe. Die matschigen Trails machen mir aktuell zu schaffen. Ich habe nicht die Power um als erster der Gruppe in selbige einzubiegen und am Hinterrad der anderen treffe ich die Ideallinie nicht, während ich vehement von den Hinterreifen mit Schlammgeschossen bombardiert werde. Ich gerate also permanent in Rückstand und nach jeder Kurve oder Trailabfahrt muss ich immer wieder Löcher schließen.
Endlich befinde ich mich umringt von drei Bergziegen auf einer breiten, festen Forststraße, doch kaum steigt diese an, attackiert Thomas, die älteste Bergziege, um die Gruppe erneut zu sprengen.
Thomas heißt in Wirklichkeit Philipp, was ich aber erst später beim Blick auf die Ergebnisliste erfahre. Ich bin aktuell der einzige, der seinen Angriff parieren kann. Unser Zweiergespann läuft gut. Wir wechseln uns in der Führung ab, warten sogar wenn nötig aufeinander, sprechen miteinander und so schaffen wir es, die beiden Verfolger auf Distanz zu halten, ohne jedoch unseren Vordermännern näher zu kommen. Wir kämpfen uns mit durchdrehenden Hinterrädern durch die matschigen Trails und erst als eine Schiebepassage an einer Steigung ansteht, kommen wir durch erhöhtes Schiebetempo unseren Vorderleuten etwas näher. Ich selbst gebe Thomas Schiebehilfe, damit er besser anfahren kann, aber wir beide sind gerade etwas angeknockt. Wir entscheiden uns etwas Tempo raus zu nehmen, was erstmalig dafür sorgt, dass mein Puls aus dem „du stirbst gleich“-Bereich in den „du stirbst bald“-Bereich absackt.
Leider sorgt die Reduzierung des Schmerzpegels dazu, dass uns die Vorderleute wieder enteilen und gleichzeitig die zwei Abgehängten näher kommen. Auch wenn wir wieder gemeinsam Tempo machen, am nächsten Anstieg schließen unsere Verfolger auf. Von ihrer euphorischen Aufholjagd getrieben, denken sie aber erst gar nicht daran sich kurz zu erholen, sondern attackieren voll in den Anstieg hinein. Im Gegensatz zu mir, kann Thomas die Attacke mitgehen und während ich der Gruppe ein “das ist jetzt aber doof“ hinterher rufe, werde ich zum Abgehängten. Indessen Thomas drüber attackiert bei den anderen Beiden und nun der Spitzenreiter unseres Quartetts ist. Ja mir fehlt Spritzigkeit für schnelle Antritte und die Leichtigkeit für steile Rampen. Doch der Anstieg zieht sich, während sich die Steigungsprozente reduzieren. Mein Paintrain hat Fahrt aufgenommen und ich schaffe es nicht nur die zwei Vordermänner einzuholen, sondern zieh durch und hole mir auch Thomas zurück. Dieser Moment gibt moralischen Auftrieb. Ich wurde in den Trails abgehängt und kam zurück und selbst am Berg konnten mich die Bergflöhe nicht abstellen. Das Momentum ist auf meiner Seite und wie so oft hat sich Folgendes bewahrheitet:
Die Vergangenheit hat nämlich oft gezeigt: Es gibt Fahrer die deutlich schneller sind, während ich langsam bin. Selbige werden jedoch schneller langsam als ich, was wiederum dazu führt, dass die Schnellen irgendwann so langsam wie ich sind bzw. ich irgendwann so schnell wie die Schnellen bin, die nun langsam sind. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, sind die Schnellen irgendwann langsamer als ich und ich bin schneller, obwohl ich eigentlich der Langsame war.
Während es in die finale Phase des Rennens geht, haben wir nun einen Fahrer von Vorne überholt, aber die Vierer-Gruppe ist wieder komplett und wir rollen in der letzten Abfahrt dem letzten Teilstück zum Ziel entgegen. Ich hab gerade mäßig Bock Vierter dieser Gruppe zu werden und auf den letzten zwei welligen Kilometern schmiede ich folgenden Plan: ich werde mich zur Zielanfahrt an die Spitze der Gruppe setzen und „allout“ von vorne fahren. Für einen Zielsprint ist das viel zu lange und ich bin dumm genug zu glauben, dass diese drei Bergflöhe trotz Windschatten auf dieser Strecke einfach die Power ausgeht und ich sie quasi von meinem Hinterrad wegtreten kann. Das mag nicht die klügste Idee sein, aber ich sage immer, es ist okay wenn du dumm bist, du musst nur fest genug daran glauben. Dieses Jahr in schwarz/gelb unterwegs, setzt sich nun also die fette Hummel Summsebrumm an die Spitze der Gruppe und drückt wie drei Tage Darmverschluss. Während die Lücke schneller aufreißt, wie ein falsch benutztes Kondom, bin ich prompt außer Sichtweite meiner Verfolger. Vollgas, über jede Kuppe drüber sprinten, nach jeder Kurve antreten. Meine Lungenflügel kreischen wie ein Seehund beim Brunftschrei auf Kokain. Doch da vorn ist endlich die erlösende Kuppe, welche mich über die nachfolgende Abfahrt ins Ziel führen wird.
What the *Zensiert *Zensiert *Zensiert *Zensiert
Die erlösende Abfahrt ist mit einem Absperrband geschlossen und muss über eine fiese Rampe umfahren werden. Für jemand der sich bis hier her mit seinem finalen Zielsprint ergossen hat, ist das wirklich übel. Ich schleppe meinen blutleeren, 85Kg lebend Kadaver die Steigung hinauf, während die Verfolger zwar näher kommen, ich mich aber gerade noch in die verwinkelten Gassen des Zielbereichs retten kann. Dank meinem Hüftfett ist es dort zu eng, um nochmals zu überholen und ich sprinte, unter dem Jubel meiner 3 Damen, dem Zielbogen entgegen.
Unterm Strich bin ich bei schlechteren Bedingungen und auf einer um 1 Kilometer kürzeren Strecke zwar schneller als im Vorjahr. Statt Platz 2 reicht es aber nur für einen Blumentopf auf Platz 4. Beim Blick auf die Ergebnislisten werden aber zwei Dinge klar: Thomas heißt Philipp und die ersten 3 Fahrer kamen binnen 30 Sekunden ins Ziel. Wahrscheinlich war das schon von Beginn an eine schnelle Gruppe, für welche ich nie die Beine gehabt hätte und ich selbst war dann „Best of the Rest“.
Ich freue mich, dass dieses Rennen wieder deutlich höhere Teilnehmerzahlen hat und nicht wie andere ums Überleben kämpfen muss. Mehr Teilnehmer bedeuten aber auch immer stärkere Konkurrenz. Ich bin durchaus zufrieden mit meiner Leistung und freu mich kommendes Woche auf meinen 280Km langen Communityride, wo ich dann wieder meine Langstreckenqualität ausspielen kann.
Happy ride
Die fette Hummel