Become a Pro
AllgemeinTest & Tech Talk

Einsamkeit & Ultracycling-2023 wird gelb

Mittlerweile ist es dunkel geworden. Ich bin schon seit gut vier Stunden mit Stirnlampe auf der Rennstrecke. Die Fans, die uns 24h-Fahrer tagsüber angefeuert haben, haben sich längst in ihre Zelte zurückgezogen. Manch Solofahrer hat es ihnen gleich getan, es ist leer auf der Rennstrecke. Alles  schmerzt, die Kräfte schwinden, Kälte durchdringt den Körper. Es ist gerade erst Halbzeit. Verlassen von der wärmenden Sonne, 5 Stunden vom Tageslicht und noch 12 Stunden vom Zieleinlauf entfernt. Ich ziehe einsam meine Runden, kraftlos, das Ziel in weite Ferne gerückt. Einsame Moment, die ich hier durchlebe, oftmals im Gespräch mit mir selbst.

Ultracycling macht einsam, aber in diesem Beitrag geht es um eine andere Einsamkeit, nicht um die eines Solofahrers im Rennen, sondern um die des Sportlers im Alltag.

2023 wird sich viel für mich verändern, oder eigentlich doch nicht.

Springen wir 5 bis 10 Jahr zurück, in eine Zeit, in der ich mich sportlich irgendwo zwischen Leistungslauch und Ultrakacknoob befand. Wo man noch mountainbiken und nicht trainieren ging. Man hatte Arbeitskollegen mit Mountainbikes, es gab einen Treffpunkt im Ort und beim Local Shop fand man immer Anschluss an eine Radgruppe. Im Sommer, wenn alle fit waren, ließ man sich dazu hinreißen die lokalen Marathons zu fahren. Man hat das Rennwochenende gemeinsam verbracht, bildete Fahrgemeinschaften und saß nach 4 Stunden Marathonrennen auf ein Bier und ne Wurscht zusammen.

Das alles änderte sich, als mir das nicht genug war, als ich mit Trainieren unter Anleitung begann und Teil von toMotion Racing by black tusk wurde.

Plötzlich begann die Vorbereitung im November. Dann, wenn alle Kollegen ihr Bike in die Ecke stellten und im Schmuddelwetter zu Hause saßen, wollte ich Grundlagen trainieren. Spinning, Ausfahrten bei Minusgraden, seit einigen Jahren nun Zwift.

Ja, das Training im Winter machte einsam. Mit Zwift wurde es ein bisschen besser, aber eigentlich nicht viel. Zwar hatte man eine große Community, aber wenn der Daniel für 5h Grundlage in Zwift einlädt dann ist das vielen „too much“. Wenige die dann tasächlich mitmachen, steigen nach 1,5 -2h aus und man zwiftet allein. Ultracycling macht einsam.

Vom Ehrgeiz getrieben, überstehe ich die Wintermonate und irgendwann locken die ersten Sonnenstrahlen auch meine Kollegen wieder zurück aufs Rad. Endlich wieder Community, doch die ersten gemeinsamen Ausfahrten offfenbaren ein neues Problem: die Leistungsunterschiede, die der Winter hervorgebracht hat. Tempo und Trainingsumfang passen nicht mehr zusammen. Die Gruppenausfahrten münden erneut in ein „Training allein“. Ultracycling macht einsam.

Dieser Effekt verstärkt sich nun Jahr für Jahr und mittlerweile mag mich keiner mehr bzw. mit mir Radfahren. Der Freundeskreis von damals hat naturlich mein sportliches Tun auf  dem Blog mitverfolgt. Man hat noch immer persönlichen Kontakt, Kumpel Bernd ruft fast immer nach jedem Rennwochenende an und fragt „wie ist´s gelaufen“ .Andere kommen vorbei, wenn sie ne Reparatur am Bike brauchen und der nächste sucht den Dialog nachdem er den aktuellen Blogbeitrag gelesen hat.

Die Leute von damals sind alle noch da, radeln gehen will aber keiner mehr mit mir. Ultracycling macht einsam.

Bezeichnend ist hier ein Vorfall mit Gabriel unserem neuen Kantinenkoch.

Gabriel kommt aus Lothringen, hat aber viel Zeit in seiner Kindheit im Elsass verbracht, der Region die ich so sehr liebe. Er ist wie ich also nicht nur Vogesenfan, sondern auch leidenschaftlicher Radfahrer.

Gabriel will nicht mit mir radeln 🙁

Bei der Essensaugabe kommen wir ins Gespräch – er erzählt mir, wo er als Kind oft war, ich erzähle ihm von meinen Vogesenwanderungen, er mal wieder von einer schönen Biketour, ich von Rennradausfahrten auf der Route de Cretes. Jeden Mittag schwelgen wir in schönen Geschichten dahin, was wir gemacht haben oder was wir noch machen wollen. Würde bei der Essensausgabe „Purple rain“ laufen, könnte man uns für das „Liebespaar 2022“ halten. Es kommt der Tag, da schiebe ich Gabriel einen Zettel an der Kasse über den Tisch – es ist nicht meine Telefonnummer, sondern lediglich der link www.becomeapro.one . Es vergeht ein Tag und das nächste Zusammentreffen bei der Essensausgabe ist deutlich weniger leidenschaftlich als gewohnt. Beim kassieren, meint Gabriel mit leicht französischem Dialekt: „ Daniel ich war gestern auf deiner Seite, mit dir möchte ich nicht radfahren“. Ultracycling macht einsam.

Okay ich hab´s verstanden, Freunde wollen nicht mehr mit mir fahren, Teamkollegen können nicht, ich muss mir etwas einfallen lassen.

Ich melde mich zusätzlich im regionalen Rennrad-Sportverein an. Das läuft eigentlich super. Im Frühjahr bin ich nun Teil der Leistungsgruppe 1, die samstags ihre Ausfahrten macht und ich kann Mitglieder sogar dafür begeistern an meinen „Challenges“, wie z.B. der 311er teilzunehen. Nun habe ich endlich Mitstreiter, wir verfolgen ein gemeinsames Ziel und ich bin nicht mehr allein, zumindest bis die Challenge vorbei ist.

Für mich sind diese Challenges nämlich immer Vorbereitung auf die 24h MTB Rennen und da ich mich ab Mai jeden Jahres auf diese konzentriere, werde ich von nun an wieder allein sein, denn meine Vereinskollegen fahren weiterhin Rennrad, während ich ins Gelände wechsle. Ultracycling macht einsam.

Es folgt ein Wechselspiel aus 24h Rennen, welche ich völlig alleine absolviere und die anschließenden Regenerationsphase, in welcher es mir nicht möglich ist die intensiven Ausfahrten mit meinen Rennradjungs zu bestreiten. Habe ich mich einigermaßen erholt, beginnt die Vorbereitung auf das nächste MTB Rennen und das Spiel wiederholt sich. Die Jungs aus dem Verein sehe ich erst im November bzw. kommendes Frühjahr wieder, für ein kurze Zeit der Vorbereitung. Ultracycling macht einsam.

Kommen wir nun noch zum letzten Punkt über den ich schreiben möchte und der zusätzlich der Initiator für die Veränderung ist, von welcher ich am Eingang gesprochen habe.

Mein eigenes Team

Mein sportlicher Werdegang war ja vor gut 5 Jahren nicht absehbar, als ich zunächst mit dem Ziel zu toMotion Racing kam, einmal den Ultrabikemarathon mit seine 113KM bewältigen zu können. Teil eines Teams zu sein hat motiviert, eine Trainerin zu haben, hat für die sportliche Entwicklung gesorgt.

Sich vom klassischen Marathon Sport zu lösen und 24h Rennen zu fahren hat aber ein weitere Veränderung mit sich gebracht.

Mit einer Fahrgemeinschaft zum Marathon tingeln ist nun nicht mehr. Ich brauche einen eigenen Fahrer, der mich zu den Rennen bzw. nach Zieleinlauf gut behütet nach Hause bringt. Verpflegungsstellen gibt es nicht, dafür hab ich Betreuer am Streckenrand, die mich die ganzen 24h betreuen. Alles was ich brauche wird von Gattin Pamlela die Tage zuvor gekauft, gekocht und gerichtet. Um mich von den Rennen zu erholen, hab ich eine Physio, für meinen Blog einen Admin, für die Beiträge einen Korrekturleser. Dabei finde ich mich selbst in der Rolle des Sportlers, Mechanikers und Teammanagers: Was muss ich alles packen? Klamotten, Equipmemnt, Bike, Bikeservice vorab, Anmeldung, Stellplatz, Reiseroute mit Zwischenstopp, wer kommt als Betreuer mit, wie schaut die Jahresplanung aus, wie finanziere ich den ganzen Kram.

Hierzu habe ich schon einmal einen Beitrag verfasst.

Obwohl ich in einem großen Rennteam bin, bin ich dann trotzdem auf mich allein gestellt. Ultracycling macht einsam.

Und wer Solo Ultracycling machen will, der braucht wiederum ein Team. Es wurde mir in den letzten Monaten bewusst. Ich bin in meinem Team auf mich gestellt oder anders ausgedrückt – ich bin mein eigenes Team.

Ich bin Fahrer, Manager, Mechaniker und Sponsor zugleich und habe viele tolle Menschen um mich herum gebracht, die mich dabei unterstützen und somit Teil meines Teams sind. Das Wachsen als Sportler und die genannten Geschehnisse haben aber nicht nur Nachteile mit sich gebracht, sondern auch einen tollen Pool an Sponsoren wie Pivot, Newmen, Wolfpack , Radsporttechnik Müller, KED oder auch Sponser angelockt. Ein weiterer Indikator dafür, dass ich schon längst meinem Team, welches mich groß gemacht hat entwachsen bin und es eine Veränderung braucht.

Und so schließt sich der Kreis zur anstehenden Veränderung, welche ich Eingangs erwähnt habe. Ich werde nach 5 Jahren toMotion Racing by black tusk verlassen, um das zu tun, was ich eigentlich schon lange mache – Solo unterwegs zu sein.

Somit ändert sich viel, oder doch wenig und trotzdem viel. Denn mit dem Weggang von toMotion Racing entfallen Leistungstests, Trainingspläne und natürlich die ganze Teamwear.

Jetzt kann ich natürlich sagen, dass das Trainieren unter Anleitung sehr lehrreich war und ich mit dem Know-How, welches ich heute habe den Selbstversuch wagen kann. Andrerseits stehe ich stand jetzt, kommendes Jahr nackt im Startblock. Ein Anblick, welchen ich vielen ersparen möchte.

Bis dato war ich zwei Jahrzehnte auf der Bekleidungsmarke Bioracer unterwegs. Es wäre ein leichtes gewesen mit Bioracer weiter zu arbeiten. Ich kenne Qualität, Schnitt und die Produkte lange genug. Ich weiß was ich habe. Ich kann den Mangel an Kleidungspartner aber auch als Chance sehen, um mich hier weiter zu entwickeln und eben über den Tellerrand hinaus nach Alternativen zu suchen.

2023 wird gelb

So bin ich irgendwann auf die deutsche Bekleidungsmarke DOWE gestossen und habe Martin den Firmenchef kontaktiert. Es liegt schon einige Zeit zurück, da haben wir uns telefonisch besprochen und ich habe die Firma mit Sitz in Lauchheim besucht. Gut 4 Stunden haben wir uns unterhalten. Martin ist ein direkter und ehrlichher Typ, er erzählt mir aus seiner Radsportvergangenheit, der Firmenhistorie und seinem Mindset hinter seiner Radsportbekleidung. Dabei sind es zwei Dinge die mir hierbei imponieren. Martin lässt auschließlich innerhalb Europas fertigen und sorgt somit für bessere Arbeitsbedingungen, als viele andere Hersteller, die im fernen Ausland fertigen. Ich muss da ehrlich zu mir selbst sein, bis dato hat mich das wenig gekümmert und ich will jetzt gar nicht den Moralapostel raushängen. Meine bisherige Kleidung musste passen, halten, gut aussehen und der Preis sollte stimmen. Die vergangenen Jahre haben den Blick auf Handelsketten und die Abhängigkeit von Asien aber deutlich geschärft. Wenn ich nun die Wahl habe zwischen Made in EU oder Fernost dann kann ich doch aus Überzeugung für Europa wählen.

Der zweite Punk ist die Ultracycling Erfahrung. Martin hat für das Race Acros America extra Kleidung entwickelt, ein spezielles mehrlagiges Sitzpolster für die Langstrecke entwickelt, vor kurzem erst eines für lange Zwift Indoorsessions.

Somit könnte ich bei der Bekleidungswahl einen riesigen Schritt nach vorne machen.

Treue Sponsoren in neuen Farben

Monate sind seit diesem Treffen vergangen und ich habe meine nächsten Schritte wohl bedacht. Im Oktober schlage ich erneut bei DOWE auf und sitze mit Martin und Mitarbeiterin Johanna am Tisch. Das Gespräch dauert wieder mehrere Stunden. Martin sagt ganz klar was er kann, was er will und was er nicht will, wo er in der Vergangenheit auf die Nase gefallen ist und wo er empfindlich reagiert. Auch ich sag was sich kann, was ich will und worauf ich keine Lust habe. Und wenn er Instamodells oder Siegfahrer sucht, ist er bei mir falsch. Aber Martin ist ein Typ Mensch wie ich, es entscheidet die Nase und der gute Riecher, ob man zusammen arbeiten will, ob die Chemie passt und auch ich fühle mich primär als Mensch bei ihm gebraucht, nicht als Athlet oder Influencer.

Anprobe bei Martin

Wir brauchen keine Vereinbarung oder Verträge, ein „Wir haben Bock auf was Gemeinsamens“ reicht uns völlig. Was das genau ist, muss sich noch entwickeln und auf diese Reise möchte ich meine Community im neuen Jahr gerne mitnehmen. Dabei gibt mir Martin die Chance, einersteits für einen Bekeildungssponsor zu fahren, andrerseits autark mit meinen eigenen Sponsoren auf dem Trikot als Solist unterwegs zu sein.

KED wird mich auch 2023 unterstützen

So freue ich mich aufs kommende Jahr mit neuen Sponsoren, welchen die ihr Zusammenarbeit verlängern und intensivieren und sage Allen „Danke“, die nicht mehr Teil von becomeapro.one sein werden.

Happy ride

euer

Daniel