Schönbuch Trophy-Animalischer Radquickie
Die neue Rennsaison beginnt, wie die Letzte endete. Corona bedingt startet die Saison im Juni 21 recht spät, ab August gab es dann schon keine Ultrarennen mehr. Was also tun mit der guten Form?
So tat ich das, was ich bisher nicht tat, das was ich nicht kann. Ich wechselte von der Ultralangstrecke, auf die “Ultrakurze“.
1,5h statt 24 Stunden Renndauer, 45 statt 450 Kilometer, 1 statt 80 Runden, 450 statt 4500 Höhenmeter. Statt langwierigem Kuschelsex gab´s also nun den animalischen Radquickie.
So standen vom September bis Mitte Oktober nochmals 5 Rennen im Programm, bei denen mir mein Körper bewusst zeigte, was er nicht konnte und wie anpassungsfähig er doch sein kann.
Weil mir die Laktathärte fehlte, schleppte ich mich bei den ersten beiden Rennen noch mit Krämpfen ins Ziel. Beim Rennen drei und vier reichte es dann schon für das Podest und beim letzten Rennen der Saison tatsächlich für einen Sieg. So hatte ich überraschend nach 4 Jahren Ultradistanz erstmalig die Liebe zur Kurzstrecke gefunden und so sollte auch meine Saison 2022 starten. Nach meinem Ostertrainingslager war ich entsprechend, vor allem mental trainingsmüde und so sollte mir die spontane Anmeldung zur Schönbuch Trophy die physische wie psychische Abwechslung bieten, welche ich gerade brauche.
So beginnt mein Road Trip am vergangenen Freitag. Mit dabei meine Mädels Pamela, Mayla und Soe May. In Pfalzgrafenweiler wird ein Zwischenstopp gemacht, zum einen muss ich mit Christian noch die finale Planung für unser Ultraevent kommenden Samstag machen, zum andern lässt sich im Hotel Schwanen hervorragendes Carboloading betreiben.
Gullideckel große Bratpfannen gefüllt mit Schnitzel, Schweinelende, Zwiebelrostbraten sowie Maultaschen dazu Pommes, Schupfnudeln und Spätzle, garniert mit zweierlei Saucen finde ich hier die Energie, die ich für eine Stunde Renndauer benötige, um keinen Hungerast zu provozieren.
Nach eine unruhigen Nacht im Camper, geht´s am frühen Morgen dann direkt nach Herrenberg. Frühstück, Startunterlagen holen, umziehen, Arschbombe in die Gesäßcreme und ich bin ready…okay man sollte erst die Gesäßcreme, bevor man sich umzieht.
Kurz vor 10 Uhr geht´s in die Startaufstellung. Entsprechend nervös bin ich natürlich, denn ich habe mich nicht, wie schon im Vorjahr nur auf Ausdauertraining konzentriert. Schnell noch ein Sponser Gel durch eine der zwei möglichen Körperöffnungen einverleibt und gleich geht´s los. Der Countdown läuft, mein Puls schon oben, tieeef durchatmen Daniel…10,9,8 …tief durchatmen Daniel…7,6,5 … tief durchatmen Daniel 4,3,..wie lange kann den solch ein Scheiß Countdown gehen..?
Irgendwann habe ich dann sämtliche Wärmesalben und Muskelöle von den Körpern meiner Mitstreitern im Startblock weginhaliert und wir fahren „neutralisiert“ und gemütlich–so vom Veranstalter angekündigt— hinter einem Quad in den ersten Anstieg.
Gemütlich bedeutet in diesem Fall das meine 500 Watt nicht ausreichen, um an diesem Quad und in der Spitzengruppe bleiben zu können. Ich falle auf diesen ersten 500 Meter zurück, werde von spritzigeren Bergfahrern überholt, die dann teilweise vor Erreichen der Kuppe wieder zurück fallen. Die Lunge brennt, der Puls hämmert, Blutgeschmack in der Fresse und Laktat tropft mir aus dem Ohr, so muss das sein! Im kommenden Flachstück bildet sich eine Gruppe von 8-10 Personen um mich herum. Wir sind die ausgestoßenen der Spitzengruppe und auch ich kämpfe aktuell nur darum, nicht hinten raus zu fallen. Ich erwische mich dabei, wie ich schmerzvoll auf den Tacho blicke „wie lange geht´s noch“ FxxK erst 10 Minuten gefahren.
Wir biegen in den ersten Trailanstieg ein, durchdrehende Hinterräder, jeder fährt Anschlag, ich bin so langsam das mein Garmin die Autostoppfuntion aktiviert, weil er denkt ich stehe.
„Tja du Mobbel, hättest die letzten Monate nicht gefressen wie ein Scheunendrescher, könntest jetzt die Hinterräder halten“ spricht meine innere Stimme gleichermaßen kritisch wie ehrlich zu mir. Mit der Antwort „84Kg Lebendkadaver sorgen dafür, dass ich oft nicht friere“ rede ich mir die Situation schön, während die Lücke zu den Vorderleuten immer größer wird.
Der Trail spuckt mich auf einem leicht steigenden Forstweg aus. Wenn ich nach der ersten Viertelstunde die Gruppe verliere, kann ich das Rennen in die Tonne kloppen ich muss unbedingt wieder nach vorne und obwohl die Steigungsprozente sinken, die Wattzahlen tun es nicht. Ich fahre noch immer Anschlag, komme der Gruppe näher. Wenn nach der nächste Kurve ein Anstieg kommt, bin ich sowas von am Arsch, ich muss dringend Druck von der Kette nehmen. Der Streckenverlauf ist mir wohl gesinnt – mit der kommenden Abfahrt rette ich mich ans Hinterrad der nun 8 Mann starken Gruppe und es dauert weitere 15 Rennminuten bis sich meine Situation endlich bessert.
Ich kann in den Startphasen solcher Rennen nur schwer die explosiven Wattzahlen meiner Mitstreiter treten. Aber nach 30 Minuten merke ich, wie meine Kontrahenten selbige zunehmend verlieren, während ich meine entsprechend weiterdrücken kann. Ich konnte mittlerweile zwei Mal durchatmen und im kommenden Anstieg, als sich unsere 8er Gruppe teilt erneut das Loch schließen.
Kaum hatte ich mich etwas rehabilitiert, geht´s in den nächsten technischen Uphill. Eigentlich sollte ich in dieser Sektion vorne fahren, aber ich bin noch immer nur damit beschäftigt in der Gruppe zu bleiben, Löcher zu schließen, nicht abgehängt zu werden, die Kraft um innerhalb der Gruppe Plätze gut zu machen, habe ich nicht. Im besagten Uphill verreißt mein Vordermann sein Vorderrad, ich komme gerade noch seitlich vorbei, unsere Lenker tangieren sich, die Hinterleute müssen absteigen. Seit gut 30 Minuten fahren wir als Gruppe und es reichen 20 Meter Trail, um uns komplett zu sprengen. Dieser Fahrfehler sorgt dafür das nun eine Zweiergruppe mit den besten Bergfahrern ganz vorne ist, gefolgt von einem weiteren Duo und ich nun wieder ganz allein hinter den Gruppen hänge, verfolgt werde ich von dem Trio welches im Trail absteigen musste.
Was nun? Auf die hintere Gruppe warten und gemeinsam die Lücke schließen oder selbst versuchen nach vorne zu kommen. Ich entscheide mich erneut für einen Zwischensprint und schaffe es wieder das Loch zu schließen, die Entscheidung war die Richtige, weil die 3 Hintermänner nicht mehr zurück kommen werden. Somit hat sich die ursprüngliche 8 Mann-Gruppe auf eine 3er Gruppe, in welcher ich mich befinde reduziert. Wir versuchen die 2 stärksten Bergfahrer, welche uns im letzten Trailuphill entrissen sind wieder einzuholen. Einen der entflohenen Mitstreitern holen wir zurück, somit sind wir wieder 4, aber wir befahren zunehmend immer mehr Streckenteile mit tiefen Matschlöchern. Direkt an den Hinterrädern verfehle ich oft die Ideallinie was mich Speed und Sicherheit kostet, fahre ich mit 10 Metern Sicherheitsabstand, um besser durch die technischen Passagen zu kommen, muss ich permanent Löcher zufahren. Egal wie ich´s anstelle, aktuell kostet es mich entsprechend viel Kraft überhaupt an dieser Gruppe dran zu bleiben und es geht schon wieder in ein technische Passagen, den steilsten Trail des Tages. Ich hänge schon wieder ganz hinten, meinem Vordermann dreht das Hinterrad an einer Wurzel durch und er muss vom Rad, ich komme zwar noch vorbei verliere aber danach auch völlig die Traktion. 2 Mitstreiter fahren vorn weg, während ich nun das Bike schiebend, den Trail hochrenne. Es ist zu steil, um erneut anzufahren also renne ich komplett hoch. Mein Garmin zeigt aktuell Puls 180, das schaffe ich nicht einmal beim Leistungstest. Als ich auf der Kuppe aufsteige habe ich schon wieder ein riesen Loch und schon wieder bin ich Letzter, denn ich habe Fahrer 4 beim Trailjogging abgehängt und versuche nun alleine den Rückstand zu meinen zwei Vorderleuten zu schließen. Ich weiß schon gar nicht mehr wie oder warum, aber auch dieses Loch sollte heute nur eines von vielen sein, welches ich noch schließen konnte. Somit sind wir nun also wieder zu dritt, den letzten verbliebenen Ausreißer aus unser Gruppe sehen wir längst nicht mehr. Somit werden wir das hier in dieser Gruppe zu Ende bringen. Jungs, ich muss durchatmen, eigentlich muss ich das seit dem Start und schon wieder geht es in einen ansteigenden Trail, in welchen ich als Letzter einbiege und in welchem meine Vorderleute wieder einen Fahrfehler machen. In einer matschigen Passagen müssen beide ausklicken, kommen aber gerade noch so durch das Loch und fahren danach weiter. Ich muss komplett vom Bike, durch die Matschpassage laufen, mit den verschlammten Schuhen komme ich schwer in die Klickpedale und meine 2 Vorderleute haben schon wieder 10 Meter Vorsprung. Die Kampfeslust ist noch nicht völlig gebrochen und erneut versuche ich das gefühlt drölfzigste Loch in diesem Rennen zu schließen. Es ist jedoch zermürbend, in der einen Passage kommt man näher ran, dann verliert man wieder einige Meter, man kommt näher zum Vordermann während selbiger den Kontakt zu seinem Vordermann verliert, man fährt Anschlag, aber letzten Endes kann man die Lücke nicht schließen. Nach 45 Rennminuten muss auch ich mich der Situation ergeben und den Rennverlauf akzeptieren. Seit dem Start fahre ich nur Löcher zu, habe ich eins geschlossen tut sich sofort ein Neues auf. Sämtliche Körner wurden gebraucht, um nicht abgehängt zu werden, war ich für kurze Zeit Teil der Gruppe konnte ich mich weder in dieser manifestieren, noch selbst mal eine rennentscheidende Aktion herbei führen. So akzeptiere ich, dass halt irgendwann das Loch kommt, welches ich nicht schließen kann und ich lediglich nur noch auf Sichtkontakt dem Ziel entgegen fahre. Dem Schicksal ergeben, folgt nun ein kurzes unscheinbares Trailstück, welches ich geschlagen hinab surfe und mich in einer Asphaltabfahrt ausspuckt. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie komme ich scheinbar besser durch den Trail oder meine Vorderleute schlechter aus selbigem heraus. So klein wie gerade, war das Loch schon lange nicht mehr. Meine Kampfwampe —für die mich meine innere Stimme vor etlichen Textzeilen kritisiert hatte—schreit Attacke und wirft sich in die Abfahrt, gefolgt von meinem strömungsgünstigen Pinguinkörper schaffen meine Wampe und ich tatsächlich, dank bester Aerohaltung das Loch zu den beiden Vorderleuten zu schließen. Die Tatsache, dass der Führende die Einfahrt in das nächste Waldstück falsch anbremst und einen Abflug gerade noch vermeiden kann und sein Hintermann selbiges tut um eine Kollision zu vermeiden, sorgt für eine Rennkonstellation, wie ich sie bisher noch nicht in diesem Rennen hatte. Aufgrund der Fahrfehler sind wir nun alle 3 auf Augenhöhe zusammen. Ich bin erstmalig wirklich in dieser Gruppe angekommen und erstmals musste ich nicht auf dem Zahnfleisch zurückkommen, sondern konnte in der letzten Abfahrt durchatmen. Wir nehmen wieder gemeinsam das Tempo auf und ich reihe mich auf Platz zwei der Gruppe ein. Meine innere Stimme spricht erneut „Jetzt könnt´s nochmal hässlich werden“. 50 Rennminuten stehen auf dem Tacho, ich habe die Ergebnisse der Vorjahre gecheckt, für die Top 10 sollte man um die 57 Minuten brauchen. Wir sind also nun in der entscheidenden Phase für die Platzierungen. Von meiner letzten Teilnahme weiß ich, die steile verwinkelte Zielanfahrt durch die schmalen Kopfsteinpflasterpassagen von Herrenberg, lassen weder Positionskämpfe noch einen wirklichen Zielsprint zu. Somit muss ich es in den kommenden Minuten richten. Auf dem welligen Drückerstück hat unser Bergfahrer etwas Probleme wieder richtig Fahrt aufzunehmen. Geschlossen fahren wir dem Ziel entgegen, mein Blick stur auf meinen Garmin gerichtet. Ich warte genau auf 56 Minuten und dann fahre ich „all out“, noch bevor das Ziel in Sicht ist. Entweder sie platzen mir vom Hinterrad oder ich gehe unter. Nachdem ich 56 Minuten nur hinterher gegurkt bin, ist dies mein einziger „Move“ in diesem Rennen, der einzige Moment indem ich den Verlauf diktiere. 56 Minuten sind verstrichen, ich setze mich an die Spitze der Gruppe „Komm auf geht´s“ rede ich meinen Mitstreitern zu. Was der eine als „Motivationsschub“ versteht, soll eigentlich heißen „Komm auf geht’s…hört endlich auf euch zu wehren“ Trotz besten Windschattenverhältnis dank meines pummeligen Körpers, kann ich die Jungs vom Hinterrad drücken, ich habe 10 Meter Vorsprung.
Ich gehe zum ersten Mal als Führender der Gruppe in die Abfahrt, freie Sicht, freie Linienwahl und so biege ich nach knapp 2 Minuten in die enge Häuserschlucht von Herrenberg ein. Die undurchsichtige Routenführung sorgt zwar dafür, dass meine Hinterleute wieder rankommen, mit einem Zielsprint lasse ich sie mit 1 bzw. 3 Sekunden Rückstand unter dem Jubel meiner Mädels hinter mir und sichere mir den zweiten Platz innerhalb der 8 Mann starken Verfolgergruppe, welche wir zum Start gebildet hatten. Das bringt mir letztendlich Platz 9 in der Overall Wertung von 161 Startern und mit Platz 2 der Masters2 Wertung sogar ein Podium ein. Nach einem Moment des Durchatmens gehe ich zu Mathias und Frank, meinen zwei Mitstreitern und zolle ihnen größten Respekt vor ihrer Leistung, sie haben mir diesen Tag unglaublich schwer gemacht.
Normalerweise bringt mich solch ein Rennwochenende völlig entspannt durch die Arbeitswoche, aber ich bin schon während ich diesen Blogbeitrag schreibe wieder völlig unter Strom.
Am Samstag wartet wieder eine echte Mammut-Aufgabe auf mich:
311Kilometer, 11 Pässe und 6500 Höhenmeter, Start mitten in der Nacht und wohl über 12 Stunden Fahrzeit.
Ihr könnt euch also schon bald auf einen neuen Blogbeitrag freuen.