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AllgemeinRace & Tour

Albgoldtrophy-Teil 2

Rund eine Stunde Autofahrt trennen mich vom Bike the Rock und der Albgoldtrophy. Nachdem ich alles zusammen gepackt habe, genieße ich die entspannte Überlandfahrt in der Mittagssonne. Lediglich beim Tanken und dem Anblick des aktuellen Dieselpreises komme ich nochmals ins Laktat, bin aber vom Rennen viel zu müde um mich aufzuregen. Gegen 16 Uhr treffe ich auf dem Eventgelände ein. Langsam hab ich Hunger und die Speicher müssen für den morgigen Renntag noch gefüllt werden. Via Google such ich mir ein typisches schwäbisches Lokal, nein nicht eins für Geizhälse mit knausrigen Portionen, sondern eines mit Sauerbraten, Maultaschen und Spätzle auf der Karte. Somit geht’s schon wieder ab aufs Bike, um den 3 Kilometer entfernten Ochsen aufzusuchen. Bei der Anfahrt lasse ich meine Gedanke schweifen und komme zu der zentralen Frage: “wenn ich nach einem Rennen nochmals Rad fahre und ich am nächste Tag ein Rennen habe, ist das dann Vorbelastung oder ein Recoveryride ?

Was meint ihr?

Camperlife

Mit diesem ungeklärten Mysterium mache ich mich über die Speisekarte her. Wer sich zwischen den oben genannten Spezialitäten nicht entscheiden kann, haut sich das Schwabenpfännle rein. Diese üppige Mahlzeit sorgt nachfolgend nicht nur für gefüllte Speicher, sondern am Folgetag wohl auch dafür, das kein Energiegel den Magendarmtrakt erreicht.

Beim Abendprogramm auf Dmax, schau ich mir noch kurz an, wie völlig verweichlichte Muttersöhnchen ihre Holzschiffchen (Die Modellbauer) zusammen leimen, ehe ich mich recht früh in meine Koje verziehe, um morgen entsprechend ausgeruht zu sein.

Power für den nächsten Tag

7 Uhr:  Wecker klingelt

Neuer Tag , neues Glück. Heute wird alles besser als gestern. Chaka, ich umarme den Tag und der Tag umarmt mich….oder solch ähnliches Esoterik Getue.

Schon fast ängstlich steige ich von der Leiter des Alkhofens hinab „hoffentlich sind die Beine nicht Beton“.

Selbige sind gar nicht so übel, als wollten sie sagen: “Mach was draus“.

Nach dem gestrigen Schwabenpfännle mutiere ich heute kurzfristig zum Modellathlet. Der Haferbrei wird wegen der Verdaulichkeit extra noch erwärmt, Massagepistole über die Beine geballert, Aminosäure inhaliert, Magnesium intravenös, anschließend 2x 30 Minuten Warmfahren vor dem Rennen. Ja, ja ich bin lernfähig und gar nicht so dumm, wie ihr immer meint.

Den Zenit meiner höchst professionellen Vorbereitung erreiche ich mit einem Red Bull direkt vor dem Start und eineem Energygel im Startblock kurz vor Startschuss.

höchst professionel

Kurze Zeit zuvor treffe ich Raffael, ihr erinnert Euch der getarnte (weiße Startnummer) Fahrer von gestern, welcher mir das Leben echt schwer gemacht hat. Den ich erst im Trail distanzieren konnte, aber dann wegen dem Plattfuß nicht schlagen konnte.

Ich quatsche ihn kurz an: “Hey wir sind doch gestern zusammen gefahren“. Raffael ist ein netter Typ, aber erfüllt von Rachegelüsten, wittere ich in diesem Moment nur die Chance auf Revanche!

Leider hat Raffael noch zwei frische Teamkollegen im Schlepptau, die nun neben mir (heute ganz vorne!!!) im Startblock stehen.

10.05 Uhr

1.Peng

2.Einklicken

3.Schmerz

Wir ballern aus dem Startblock wie die Irren. Speed, Wattzahlen und Schmerzpegel versuchen sich im Sekundentakt gegenseitig zu überbieten. Ich hab die Spitzengruppe vor mir, dass ich dort hin komme, hab ich lediglich Dirk (Teamkollege von Raffael) zu verdanken, der von hinten kommt und die Lücke schließt.

Wahnsinn, ich bin zum ersten Mal in der Spitzengruppe eines Rennens, aber der Schaden den die U19 Fahrer hier anrichten ist verheerend. Hinter mir kein Mensch mehr. Das Rennen ist keine 3 Minuten alt, wir sind noch nicht mal am ersten Berg und von den knapp 100 Starten sind wir noch 15 Fahrer hier. In den ersten Wellen kämpfen einige, inklusive mir, ganz hinten weiter um den Anschluss, müssen dann aber gut 10 Fahrer ziehen lassen. Es verbleibt ein Gruppe von 5 Fahrern die permanent, recht eindrucksvoll von Dirk attackiert wird.

Zwei junge Fahrer machen Tempo, ich versuche am Hinterrad unter Schnappatmung den Puls runter zu bekommen. Kaum wird der Berg etwas flacher oder das Tempo kurz langsamer, sprintet Dirk mit einem brachialen Antritt aus der Gruppe raus.

Ich selbst kann zu diesem Zeitpunkt das Tempo nicht erhöhen, werde abgehängt und kann immer nur hoffen, dass ich die Lücke durch konstant hohes Tempo schließe oder andere Abgehängte mit mir wieder zu Dirk auffahren.

Das geht zwei Mal gut, aber bei der dritten Attacke von Dirk zerbröselt alles. Nicht nur ich falle hinten raus, sondern auch Dirks Kollege Raffael. Ich habe 50 Meter Rückstand und sehe wie sich vor mir eine neue Gruppe mit Dirk bildet.

Dies ist wohl der entscheidendste Moment im Rennen: “ich verpasse den Postabgang und bringe das Rennen allein zu Ende, oder ich komme noch irgendwie nach vorne.“ Die kommende abfallende Gerade mit Gegenwind bräuchte ich eigentlich, um endlich mal durchzuatmen, aber ich fasse mir nochmals ein Herz, Kette rechts, Aerohaltung und schaffe es gerade noch vor der nächsten Steigung mit einem Gewaltakt in die Gruppe nach vorne, während Raffael abgehängt zurück bleibt. Mir ist sofort klar, wenn ich in dieser Gruppe bleibe und Raffael alleine zurück bleibt, kommt er nie und nimmer wieder nach vorne und ich habe nach der gestrigen Niederlage wieder zurückgeschlagen.

Von nun an geht’s zu viert für uns weiter, zwei ganz junge Fahrer, Dirk und ich bilden die Gruppe. Ich konzentrier mich auf Dirk und schaue ihn mir genauer an. Eigentlich könnte er meine Altersklasse sein und dann wird´s mir schlagartig bewusst: Wenn die ganzen U19 Fahrer vorne raus geballert sind, hinter uns alles zerfleddert ist, dann geht’s in dieser Gruppe nicht mehr um eine gutes Rennergebnis, sondern um Platz 1 und 2 der Masters2 Klasse, zwischen Dirk und mir.

OMG!

Würde ich tatsächlich um einen Altersklassensieg mitfahren? Hätte ich es im direkten Duell sogar selbst in der Hand?

Hätten mir die letzten zwei Anstiege nicht schon meine Lungenflügel aus dem Körper extrahiert, würde ich jetzt hyperventilieren aber mein Körper hat schon unlängst „Sauerstoff“ als Treibstoff gegen „Schmerz“ getauscht.

Ich find´s einfach nur pervers wie die Jungs aufs Tempo drücken. Ich hänge im Windschatten, Kette rechts, Trittfrequenz wie ne Nähmaschine und fliege einfach hinten raus, weil mein 32er Kettenblatt zu klein ist und der Speed nicht reicht.

Wir holen Fahrer von ganz vorne zurück mit einem Tempoüberschuss vergleichbar mit einem

Dacia Logan ,Sonntagmittag auf der A5, mit Wohnwagen und nahendem Porsche GT3 von Hinten.

Alles was aufgefahren wird, fliegt sofort hinten raus.

Interessant wird´s plötzlich, als wir in eine Wiesenabfahrt einbiegen und sich Dirk plötzlich ganz hinten einreiht. Es ist ne unschöne Abfahrt, teilweise liegt viel Rotz auf der Wiese, die Pfade zugewachsen, teilweise der Weg kaum erkennbar. Es geht etwas ruppig durchs Unterholz, ehe wir wieder auf breitem Forstweg ausgespuckt werden. Ich bin plötzlich mit den zwei Jungs alleine, Dirk ist nicht mehr zu sehen. Mein Chance, aufs Tempo zu drücken während die Jungs am Hinterrad kleben, doch allein schaffe ich das nicht bis ins Ziel und so versuche ich ganz „Ausbilderlike“ die Jungs zu beeinflussen.

  1. Stelle ein Beziehung her: „Hey Jungs, ihr zwei fahrt wirklich ein super starkes Rennen“
  2. Nimm ihnen die Ängste: „Ich fahre nicht gegen euch, kommt holt euch ein gutes Ergebnis“
  3. Motiviere sie und packe ihren Ehrgeiz: „Ich werde bald 50“

Okay, das „bald“ ist in 10 Jahren aber meine Ansprache hat gefruchtet und prompt fahren beide an mir vorbei und leisten Tempoarbeit.

Ausbildereignungsprüfung zum zweiten Mal bestanden würde ich sagen.

Dirk lässt sich jedoch auch nicht lumpen, er schließt die Lücke, die er sich in der Abfahrt eingehandelt hat und nach einem kurzen Moment des Durchatmens folgt schon wieder der nächste Angriff. Ich hab zwar noch immer nicht die Power diese Antritte mitzugehen, aber mittlerweile kann ich die Löcher mit konstant hohem Tempo schließen. Mir ist aber klar, Dirk wird weiterhin solche Attacken fahren und eigentlich reicht eine kurz vor Schluss, um mich abzuhängen und ich werde Zweiter.

Das Finale steht an.

Es folgt ein schmaler, etwas technischer  Trailanstieg. Die Jungs vor mir, Dirk am Hinterrad. Ich selbst kann diesen Aufstieg dank Fully sitzend hochdrücken, während sich der Rest im Wiegetritt abmüht. Kurz vor der Kuppe kommt ein Angriff, nicht von Dirk oder den Jungs, nein ich versuche mit einem Antritt Distanz zwischen mich und Dirk zu bringen und mich mit einem Loch in die Abfahrt zu stürzen. Ich weiß, es steht noch eine Trailabfahrt zum Ziel an. Komme ich da als Erster hin, kann ich Dirk die entscheidenden Sekunden abnehmen, um mich vor ihm ins Ziel zu retten.

Völlig abgekämpft im Ziel

Die Lücke ist aufgegangen, ich gehe Vollgas in die Abfahrt, bremse die nächste Kurve an und „Shit“ ich hab´s vermasselt. Nach der Kurve wartet nämlich nicht der Trail, sondern ein weitere Steigung. Meine Mitstreiter haben sich soeben wieder herangebremst und 3mal dürft ihr Raten, wer nun seine finale Sprintattacke setzt.

Ich könnt losflennen, die Jungs ziehen mit, ich bin noch immer am Sterben von meiner Attacke. Ich schalte einen Gang dicker, aber statt zu beschleunigen drehen einfach die Beine langsamer.

Und dann kommt was es noch nie zuvor gab, selbst diejenigen die wöchentlich mit mir fahren haben das selten bis gar nicht gesehen. Die Chance zwei weiße Haie beim Paaren zu filmen ist höher, als mich dabei zu erwischen…

„Normalerweise sitze ich mich auf mein Bike, mein fettleibiger Arsch umschlingt dann den Sattel und in einer Symbiose aus Hintern und Sattelstütze schaffe ich es dann kontinuierlich und unermüdlich meine Wattzahlen sitzend zu treten“

…doch jetzt ist es soweit, dies ist meine letzte Chance und mein letztes Mittel:

ich gehe tatsächlich in den Wiegetritt. Es tut einfach nur weh, mir wird schwummrig vor Augen, dann ziehen Bilder an mir vorbei, wie Mel Gibson, kämpferisch schreiend, oberkörperfrei mit wehender Fahne in der Hand, in den sicheren Tod rennt.

Mit einer Hollywood-reifen Leistung, schaffe ich es nicht nur die Lücke zu schließen, sondern attackiere nochmals über Dirk drüber. Das Abbiege-Schild für den Trail im Blick, ziehe ich an Dirk und an einem der Jungs vorbei, um nun an zweiter Stelle liegend in den Trail einzubiegen.

Von jetzt an heißt es „Nahtoterfahrung4thewin“. Ich schmeiße mich überschwänglich mutig in die doch recht schmierige Abfahrt und ich hänge nicht nur Dirk ab, sondern auch die zwei jungen Wilden aus meiner Gruppe. Gerade als ich mich zum neuen Trailgott krönen möchte, ziehen die Topfahrer der Mitteldistanz an mir vorbei und offenbaren mir, welch ein Kacknoob ich bin. Drei überstandene Frontdrifts später, spuckt mich der Trail wieder aus, jetzt muss ich mich nur noch den letzten Kilometer bis zum Bikepark retten. Drücken als hätte man Darmverschluss. Zerstört erreiche ich das Ziel, wenige Fahrer sind da, nur junge Gesichter. Dirk kommt erst 40 Sekunden nach mir an, hab ich es tatsächlich geschafft, meinen ersten Sieg einzufahren?

Der alte Sack rechts

Dies beantwortet mir die Ergebnisliste mit nem klaren Jain. Ich bin der Beste meiner Altersklasse, allerdings findet diese beim Veranstalter nur auf den andern zwei Streckenlänge Anwendung, auf dieser Distanz aber nicht. So bleibt mir lediglich Platz 3 bei den Herren, nachdem die Ergebnisliste mit den bis zur U19 Lizenznachwuchsklasse ausgedünnt wurde.

Es gibt ein Handshake mit Dirk und den Jungs und ich freue mich später bei der Siegerehrung auf dem Podest zu stehen.

Zufrieden blicke ich auf zwei Podestplätze binnen 24 Stunden, fokussiere mich aber schon auf das Rennen beim Hegau Bike Marathon kommenden Sonntag.

Happy ride

euer

Daniel