BiketheRock-Rennwochenende Teil 1
„Welch ein verkacktes Rennen, wie dilettantisch, ich könnte nur kotzen *zensiert*, *zensiert*“ so komme ich ins Ziel vom BiketheRock in Heubach.
3 Stunden zuvor.
Ich bin gestern angereist, um 6 Uhr klingelt der Wecker, noch 2 Stunden bis zum Start. Den zerhexelten Haferbrei in die Kinnlade gedrückt, das Gemächt in der Lycrashort verstaut und ab geht’s zum Warmfahren. Nee, dann doch nicht, es ist noch stockdunkel da draußen. Mit Mühe bekomme ich mein Bike vom Heckträger, die Straße ist kaum zu erkennen. An Licht habe ich nicht gedacht. Somit ist warmfahren verschoben bis ich zumindest einigermaßen sicher unterwegs sein kann. Weil Selbiges erst später gestartet wird, treffe ich erst 10 Minuten vor Rennstart am Startblock ein.
WTF wo kommen die ganzen Fahrer her. Christian, der sich mit mir warmgefahren hat, stellt sich stressfrei als Lizenzfahrer vorne in den Startblock. Ich muss tatsächlich ans Ende des Feldes. Welch ein Anfängerfehler. Zudem hat gerade die Batterie meines Powermeters den Geist aufgegeben, somit fahre ich quasi Blind, für manch einen ein Grund erst gar nicht zu starten. Ich zeige mich jedoch kämpferisch und stehe nun hinten im Block in einem Fahrermix aus „weißer Startnummer“ (2 Rennrunden) und „blauer Startnummer“ (1 Rennrunde, meine Distanz). Umringt von Trinkrucksäcken, Flatpedals und Endurofullys bekomme ich Herpes an der Rosette, sowie hochgerollte Zehennägel, wenn ich nun an den Start direkt am Berg denke. Innerlich koche ich und brenne darauf nach dem Startschuss meine Aufholjagd zu starten.
Kaum ist dieser ertönt, kann’s dann auch gefühlt 37 Minuten später für mich losgehen, bis ich endlich unter dem Startbanner durch rolle. Vor mir fahren sie nebeneinander Dreierreihe ohne sich wirklich zu überholen, aber wo sollen die Teilnehmer auch hin. Ich versuche unter Volllast verzweifelt Plätze gut zu machen.
Ich gehe 20-25 Minuten Anschlag, bis ich dann endlich am Berg vor mir Christian aus dem Lizenzblock sehe. Einerseits zeigt es mir, dass ich dann doch ordentlich Tempo gemacht habe, anderseits fehlt mir die Power um die Lücke in der nachfolgenden Flachpassage dann völlig zu schließen. Im Flowtrail sehe ich plötzlich Christian, ihn hat´s übel zerlegt. Leute sind schon bei ihm um zu helfen. Ich mache langsam, frage wie es geht, werde aber weiter gewunken. Ich hab ein schlechtes Gewissen, weil ich nichts tun konnte. Im engen Flowtrail wäre es aber nicht hilfreich, wenn alle anhalten während von hinten die Fahrer heranrauschen. Kurze Zeit später fährt der Notarzt mit Blaulicht vorbei. Ich bekomme Gänsehaut, mich zu konzentrieren fällt schwer, Bock auf Rennen ist mir vergangen.
Im zweiten Renndrittel hangle ich mich durchs Rennen und hole immer wieder Fahrer von vorne zurück, bei jedem Überholvorgang gibt´s den Blick auf die Startnummer. Wenn „blau“ dann „gut“, weil wieder einen Kontrahent geschnappt. Das geht ne Zeitlang gut, bis ich plötzlich nur noch „weiße Startnummern“ auffahre.
Lücke geschlossen, Überholt, wieder „weiß“
Attacke
Lücke geschlossen, Überholt, wieder „weiß“
Attacke
Lücke geschlossen, Überholt, wieder „weiß“
Das mach ich vier, fünf Mal und dann gibt´s ein frustriertes „ Ach leck dich doch“ bin ich der Einzige, der hier noch auf der 30 Kilometer Runde unterwegs ist?
Mir wird klar, die schnellen „Blauen“ und somit guten Platzierung sind weg, ich selbst habe mich total verballert und fürchte schon das morgige Rennen. Am frustriertesten ist jedoch die Tatsache, dass ich mich mittlerweile in einer Gruppe von drei “Weißen“ befinde, die genau mein Tempo fahren.
Wie kann das sein, ich fahre hier absolut Anschlag und die Jungs müssen die Runde zwei Mal fahren. Das Rennen ist knapp ne Stunde alt und ich bekomme hier nur Ohrschellen und Nackenschläge. Letztendlich kommt aber die Einsicht, hier in der Gruppe zu hocken bringt mir keine Plätze und ich versuche mich weiter nach vorne zu kämpfen. Teilweise verballere ich mich 50 Meter vorne im Wind, während sich die Gruppe hinter mir mit Windschattenfahren abwechselt.
Ich komme auf die letzten 10 Kilometer. Es ist ruhig geworden. Die Gruppe hinter mir hat sich zerlegt, lediglich Raffael ist noch um mich herum. Er bolzt ordentlich Tempo in den Flachstücken, am Berg lässt er mich stehen, in den Abfahrten rolle ich teilweise wieder vorbei. Von vorne hole ich niemanden zurück, von hinten kommt auch keiner. Das Rennen ist für mich lethargisch geworden, die Angriffslust ist mir vor 10 Minuten aus der Trikottasche gefallen und ich versuche irgendwie Raffael um mich zu haben. Wir fahren nicht zusammen, aber sind immer in Sichtweite. Geweckt werde ich plötzlich durch ein Schild „gefährliche Abfahrt“. Spitzkehren, Steine, Wurzeln, enge Passagen. Erst überfordert, dann erfreut. Es gibt tatsächlich deutsche Marathons, die nicht auf Waldautobahnen stattfinden? Krass, hab ich in dem Kackrennen wenigstens etwas Fahrspaß.
Jedenfalls gelingt es mir im Trail nun auch Raffael abzuhängen, bis dann kurz danach ein Schlabber, Schlabber, Schlabber ertönt und ich mich mit einem Reifenschaden konfrontiert fühle.
Okay, die Ohrschellen habe ich ertragen, den einen Nackenschlag für die Startaufstellung hab ich verdient, aber jetzt tritt man mir mit Anlauf in die Eier. Maxalami ist der Retter und die Kartusche bringt immerhin noch schwammige 1,5 Bar in den Reifen. Während meines unfreiwilligen Stopps passieren mich Raffael, weitere 10 Fahrer und dabei zwei „blaue“.
Etwas schwubbelig geht es die restliche Abfahrt hinunter, ehe ich auf eine steigende, breite Asphaltstraße einbiege. Ich sehe gut 10 Fahrer vor mir und denke mir: „Dank Energygels hab ich´s heute Abend eh wieder am Ranzen und furze das ganze Wohnmobil voll. Dieses Opfer soll nicht umsonst gewesen sein“ und werde nun 6 Kilometer vor Rennende von der Kampfeslust geküsst.
Ich überhole erneut die Fahrer, die ich schon in der letzten Rennstunde abgehängt habe.
„Ja du Lauch, für dich reicht´s sogar noch mit Hinterradschaden“ rede ich mich bei jedem Überholmanöver in asozialer Manier stark, um mich dann tatsächlich vor der letzten Trailabfahrt zwischen die zwei „blauen“ zu schieben.
Es folgt ein letzter Asphaltaufstieg, ca. 200 Meter lang, mit Absperrband auf 2 Meter Breite dezimiert und alle Fahrer sind somit aufgereiht wie an einer Perlenschnur. Oben ist ein 180 Grad Wendepunkt, der direkt zur Zielabfahrt führt und dort kann ich die Startnummernfarbe noch gut erkennen. Ich startet am Fuß einen finalen Wiegetrittsprint, überhole noch den zweiten „blauen“ und eigentlich alle die noch irgendwie in Reichweite sind, nur Raffael bezwinge ich nicht mehr. Während ich in diesem finalen Gewaltakt sämtliche Gedärme ausspucke erkenne ich, dass nur „weiße“ am Wendepunkt vor mir in die Abfahrt gegangen sind. Das hebt wieder das Gemüt, während ich dann die letzte Sekunden unspektakulär ins Ziel surfe.
Vor mir fährt ein „weißer“ der scheinbar den Abzweig auf die zweite Runde verpasst ins Ziel. Ich halte neben ihm an und sage: du bist „weiß“ du musst noch ne Runde, er antwortet nur: “ne die hatten zu wenig blaue Startnummern und haben uns auch die weißen gegeben“.
Okaaayyy, auf den Tritt in die Cojones folgt nun noch übles Nachtreten. Wenn ich überlege wie ich teilweise vor diesen Gruppen hergefahren bin oder manche hab fahren lassen kann ich nur sagen:
„Welch ein verkacktes Rennen, wie dilettantisch ich könnte nur kotzen *zensiert*, *zensiert*.
Also Haken dran an die Geschichte hier. Ich gebe erst Pamela die Info mir geht´s gut, dann versuche ich Christian zu erreichen. Glücklicherweise ist er am Auto, hat aber nen gebrochenen Finger und die Bänder in der Schulter sind gerissen. Er ist kreidebleich und kotzt gleich vor Schmerzen. Das kompetente Ärzteteam hier meinten er soll selbst mit dem Auto ins Krankenhaus fahren (Moment ich suche noch immer das Stinkefingeremoji). Somit geht mein Programm voll weiter. Mit dem Bike aus dem Ort zum Wohnmobil, Umziehen, mit dem Bike zurück ans Event Gelände, Christian in sein Auto packen, mein Bike in sein Auto packen, Klinik suchen, hinfahren, Christian in der Notaufnahme abgeben, mit dem Auto zurück, Parkplatz suchen und mit Nadine (Christians Frauchen) die Rückführung der Karre regeln.
Mittendrinn meldet sich meine Göttergattin von ihrer Shoppingtour im Elsass. Sie hat parallel die Ergebnisse gecheckt und meint ich wäre auf dem dritten Platz. Im nachfolgenden Telefonat habe ich aber gleich abgewinkt: Ich war hinten im Startblock, hatte Defekt, da stimmt die Liste nicht. Ich kann das gerade nicht prüfen und möchte mich zuerst um Christian kümmern.
Erst als ich gut 3 Stunden nach dem Zieleinlauf wieder am Wohnmobil bin, durchatmen kann und meine Nachrichten checke schreibt mir Teamkollegin Gabi: „Hey Daniel, ich war für dich an der Siegerehrung und hab die Geschenke entgegen genommen, komm doch nochmals aufs Eventgelände.“ Ich kann es kaum glauben, dass dieses Kackrennen tatsächlich zu einem Podestplatz geführt hat. Gabi und ich feiern die verpasste Siegerehrung nach und somit gibt es doch ein versöhnliches Ende.
Gute Besserung Christian, komme bald wieder zurück aufs Rad.
Teil 1 meines Renndoubles ist vorbei, ich packe meine Sachen und fahre nach Münsingen. Da starte ich morgen bei der Albgoldtrophy.
Bleibt dran, der Rennbericht Teil 2 kommt.