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#Everesting2020-Auf den höchsten Berg der Welt

Im letzten Blogbeitrag konntet ihr lesen, wie es zu meiner Idee, der Everesting Challenge gekommen ist.

Letztes Wochenende war es dann endlich soweit. Anders als ursprünglich geplant, habe ich mein Uphill Segment noch etwas verlängert. Dies reduzierte die Rundenzahl auf lediglich 50 Aufstiege, auf dem nun im Schnitt 10% steilen und 1,9 Kilometer langen Scheinbergclimb.

Gerade jetzt, wo ich diesen Beitrag verfasse muss ich trotz intensivem Grübeln feststellen, solch ein Everesting bietet wenig Stoff, um eine unterhaltsame Geschichte zu schreiben. Welchen Spannungsbogen kann man den erzeugen und welche Erlebnisse kann man schildern, wenn man alleine 50 mal denselben Berg hoch fährt? Es ist tatsächlich so langweilig, stumpf und stupide, wie es klingt. Da aber so viele Freunde, Bekannte, Teammates sowie Forumskollegen mitgefiebert haben, kann und will ich dieses Everesting nicht unkommentiert lassen.

Es ist also Samstag 4.45Uhr und der Wecker klingelt, ich komme gut aus dem Bett, schnell das Müsli runter gewürgt, einen starken Kräutertee gemacht, die Eier mit Gesäßcreme massiert und schon abgeht die Post.

Dunkel war´s der Mond schien helle, als ein Auto….

5.30 Uhr stehe ich am Treffpunkt, Teammate Thomas wird mich soweit begleiten, wie ihn seine Beine tragen. Gesetzlose wie wir, ignorieren die Fahrverbotsschilder und fahren quasi den ersten Aufstieg im Wald mit unseren Autos hoch, um oben an der Holzfällerhütte unser Fahrerlager einzurichten.

Fahrerlager

Um 6.00 Uhr fällt dann der Startschuss und wir starten den ersten von 50 Aufstiegen. Ich habe Thomas lange nicht gesehen und wir nutzen die Zeit zum Plaudern. Die ersten 1.270 Höhenmeter (zur virtuellen Feldberg Passhöhe im Schwarzwald) vergehen recht leichtfüßig.

Die Zugspitze mit ihren knapp 3.000 Metern, ist der nächste Gipfel, welchen wir in den kommenden Stunden erreichen werden.

Mein Motivationsabreißkalender

Zwischenzeitlich kommt Schwigapappa Dieter mit dem E-Mofa angedüst, um uns darauf hinzuweisen, wie langsam wir unterwegs sind. Motivierende Worte tun bei solch einer Aktion einfach immer gut. Aktuell fahren wir konstant um die 18 Minuten pro Runde. Damit schaffen wir 3 Runden pro Stunde und somit ca. 550 Höhenmeter. Das mag nicht viel sein, aber die Prognose für den Tag wäre so ca. 15h Fahrtzeit fürs Everesting, was im Gelände dann doch eine passable Zeit wäre. Doch schon nach der Zugspitze auf dem Weg zum 4.480 Meter hohen Matterhorn wird´s hässlich. Es waren für den Tag Sturm und Regen angekündigt, doch ab 12 Uhr stehen hier 31,7 Grad im Anstieg und wir werden gegart wie das Rinderhüftsteak auf nem Webergrill. Damit hatte ich nicht gerechnet, darauf war ich nicht vorbereitet. Gegen 14 Uhr muss ich erstmals das größte Ritzel nutzen, um den Anstieg überhaupt noch hoch zu kommen. Bei 4.300 Höhenmeter krampfen beide Beine in Wade und Oberschenkel. Thomas hatte seinen Tiefpunkt schon vor einer Stunde und pausiert oben an der Hütte, ich habe mittlerweile zwei Aufstiege mehr in den Beinen.

Ich muss vom Rad, meine Beine zucken als hätte ich einen Elektroschocker im Hintern. Ich hab weder zusätzliches Salz dabei, noch schreit mein flauer Magen danach, nun literweise Flüssigkeiten konsumieren zu wollen. Ich versuche mit einem Wasser getränkten Lappen mein Beine und meinen Kopf zu kühlen. Mein Optimismus hängt an einem Natrium-haltigen Gel, welches mich retten soll. Thomas signalisiert mir, für ihn ist Endstation. Er wird mir noch einmal Geleitschutz geben, sollte es für mich noch weiter gehen…

Nun ja, man hat mir viel mentale Stärke für dieses Event gewünscht und als Ultrafahrer ist dies der Schlüssel zum Erfolg. Ich hab dies in meinen 24 h Rennen schon mehrfach bewiesen und dieses Everesting sollte ja deutlich kürzer werden, eigentlich muss ich das können!

Heute denke ich da völlig anders, nicht jeder 24h Rennfahrer kann everesten und nicht jeder Everester kann 24h rennfahren.

Das Everesten stellt nämlich ganz andere Forderungen an den Kopf. Wenn man allein schon das Ziel als solches betrachtete:

Man soll 8.848 Höhenmeter fahren, um auf den höchsten Gipfel der Erde zu kommen. Allein das ist ja schon totaler Quatsch. Wie jeder weiß, liegt der Everest im Himalaja also gaaaaanz weit weg vom Dreckskaff Steinen. Selbst wenn ich nun in Nepal wäre, gebe es trotzdem keinen Weg der mich mit dem Rad auf den Everest fahren ließe. Jetzt könnte man mit viel Fantasie sagen: „ich simuliere ja das Bergsteigen mit meinem Bike“, was aber auch total bescheuert ist, denn die Everestbesteigung startet vom Basecamp auf 5.364 Meter und nicht auf Meereshöhe. Somit werden bei der Everestbesteigung 3.484 Höhenmeter beklettert. Man muss also schon fast schizophren sein, um beim Everesting ein greifbares Ziel zu erkennen, denn in Wirklichkeit ist es am Ende des Tages nur eine virtuelle Stravaauswertung.

Um es auf den Punkt zu bringen, ein Everesting ist ungefähr so reizvoll wie Sex mit zwei Schnitzeln zwischem Heizkörper.

Aber zurück zum Geschehen…

Ich hab das Matterhorn auf knapp 4.500 Meter Höhe erreicht, bin weich gekocht, es ist gerade erst Halbzeit und mein Gefährte streicht die Segel.

So schwierig die aktuelle Situation in diesem Moment scheint, so einfach ist sie in Wirklichkeit. Den es gibt nur zwei Möglichkeiten und die Entscheidungsgewalt hab ich:

Aufhören vs. Weitermachen

Pussy- oder Beastmode

Halbzeit

Der erste Tiefschlag des Tages wird kompensiert durch die Ankunft meiner Familie und Sascha. Umsorgt von meiner Familie und begleitet durch Sascha in Aufstieg Nr 26 + 28 finde ich zurück ins Geschehen. Ein Wolkenfeld hat sich nun vor die Sonne geschoben, in den kommenden zwei Stunden kann ich mich erholen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Weitermachen tatsächlich an dieses Wolkenfeld geknüpft. Weitere 2 Stunden im Garofen hätte ich nicht geschafft. Gegen Nachmittag feuert die Sonne aber nochmals aus allen Rohren und immerhin sind jetzt größere Abschnitte der Steigung im Schatten. Bei diesen Gegebenheiten schaffe ich immer zwei Aufstiege, gehe dann kurz vom Bike, um mich runter zu kühlen.

Interessanterweise kommt die „Warummachichdasalles-Frage“ nicht ein einziges Mal. Denn dieses „Alles“ besteht aktuell lediglich aus nem Fresskorb, Trinkflaschen und dem Hausberg den ich 50mal hoch muss. Aufwand und Aufgabe sind klar und eindeutig und das Opfer im Vergleich zu einem 24h Rennen mit Startgebühr, Anreise, Übernachtung, Positionskämpfe usw. recht überschaubar.

Dieser Pragmatismus ist der Antrieb des heuteigen Tages,

es war klar ich muss hier 50mal hoch

es geht nur um eine Stravaaufzeichnung

ich kann jederzeit aufhören

ich werde das nur 1x machen

Mir war die ganze Zeit bewusst wenn ich nach 5K, 6K oder gar nach 7K Höhenmeter hier raus gehe, ist diese Challenge für immer beendet und es wird keine weitere geben. Denn ich müsste ja erst wieder 5K,6K oder7K fahren, um wieder an denselben Punkt zu gelangen. Das wäre ja der totale Mindfuck für mich.

Also wieder nur zwei Optionen:

Will ich ein Everesting gemacht haben oder will ich es nicht.

Mit Markus besucht mich ein Forumskollege – wir kennen uns nicht persönlich, aber auch er bietet mir Geleitschutz für zwei Aufstiege.

Der Abend rückt näher und auch der Zeitpunkt an dem mich meine Familie verlässt und ich allein auf mich gestellt bin. Nach 6.000 Höhenmetern habe ich zwei Drittel geschafft, das Everesting ist nun schon über 12h alt und nach fast ausschließlicher Flüssignahrung gibt´s nun ein isotonisches Fleischkäsweckli. Im Nachgang eines der besten Investitionen meines Lebens. Mit einer Investition von rund Einsfuchzig konnte ich in den folgenden Anstiegen dieses Weckli rund 3-4mal nochmals kauen und schlucken…mehr geht echt nicht für´s Geld.

Der Körper brauch Fett

Einen moralischen Tiefschlag bekomme ich erneut als mir meine Familie beim Uphill entegegen kommt. Sie laufen Richtung unteren Wendepunkt und sind auf dem Weg nach Hause. Es liegen rund 2.800 Hm vor mir, sitze 13-14 Stunden auf dem Rad, nun bin ich allein hier im Wald und muss es zu Ende bringen. Da die Dunkelheit naht, ist der Punkt gekommen sich weh zu tun und nochmals die Schlagzahl zu erhöhen. Mit der Dunkelheit steigt zwar die Gefahr, aber die Temperaturen gehen kontinuierlich runter. Ich verfolge das Ziel, die nächsten 3.000 Höhenmeter in Summe wieder schneller zu fahren als die Letzten. Die Rundenzeiten gehen wieder nach unten und pendeln sich zwischen 17 und 18 Minuten ein. Zudem verzichte ich auf weitere Stopps und fahre erstmals seit 13 Uhr wieder 3 und mehr Stints am Stück. Der letzte längere Stopp folgt kurz vor 21Uhr um mich mit Licht für die Dunkelheit zu rüsten. Kaum hat die Finsternis eingesetzt, funkeln zwei leuchtende Augen auf, ich denke mir: „bitte sei ein Wolf und friss mich, dann ist´s endlich rum.“ Aber leider war´s nur ein Reh, welches glücklicherweise im Uphill und nicht im Downhill auf dem Weg stand.

Das letzte Anfeuern vor der Dunkelheit

Gegen 22Uhr knacke ich die 8.000er Marke und gebe die Info per Whatsapp an meine Frau weiter. Da ich mich aber seit zwei Stunden nicht gemeldet habe, ist Pamela mittlerweile so in Sorge, dass sie nochmals mein Schwiegereltern mobilisiert hat und nun mit einer tiefergelegten A-Klasse im Querdrift den Scheinberg hochdonnert, um bei mir zu sein. Mein Schwiegervater und Pam setzen sich ans Feuer und sagen: „Brings zu Ende wir warten hier so lange“.

Zwei weitere Stunden vergehen, um kurz vor Mitternacht knackt mein Bryton die 8.848 Höhenmeter nach nur 49 Auffahrten. Eigentlich habe ich das Ziel erreicht, einen Aufstieg früher als berechnet, aber nach kurzer Rücksprache war klar ich soll noch einmal hoch. Was wenn bei dem Stravaabgleich die Höhenmeter korrigiert werden und ich dann tatsächlich irgendwo bei 8.830 Höhenmeter lande? Unvorstellbar dieser Gedanke. Ich rausche ins Tal und fahre nochmals die fünftschnellste Uphillzeit des Tages. Oben angekommen, steig ich vom Rad, montier es auf den Radträger und wir fahren nach Hause. Das Everesting endet so pragmatisch und emotionslos wie es den ganze Tag über schon war.

alles nur für Strava 🙂

Freude kommt dann am Folgetag auf, die Strava Auswertung zeigt 9.125 gefahrene Höhenmeter. Die Aufzeichnung wird Montags nach Australien zur Überprüfung für die Hall of Fame geschickt.

Derzeit lese ich die ganzen Facebook und Forum Kommentare, welche ihr gepostet hab. Ich bekomme ja tagsüber die virtuellen Motivationsrufe gar nicht mit. Es macht mir jedoch sehr viel Freude im Nachgang zu sehen, wer mich alles unterstützt und angefeuert hat und Teil meiner Leidensgeschichte war.

Danke an

Meine Familie

Pamela (beste Frau)

Vreni (beste Schwiegermutter)

Dieter (bester Schwiegerpaps)

Soe May & Mayla (bester Fanclub)

Meine Wegbegleiter

Markus

Sascha

Thomas

IBC Dudes

Namen sind hier Schall und Rauch

Freunde, Teammates und Bekannte die Mitgefiebert haben

Partner und Sponsoren

toMotion GmbH

Keller Customs

Radsporttechnik Müller

SQlab

Newmen-Components

Trickstuff

Wolfpack-Tires

Pivot Cycles