12h Külsheim-Daniel & die Panzerhügel
Nach dem 6H am Breitbrunnen, sollte es vergangenes Wochenende nun die doppelte Portion geben. 12 Stunden sollten es sein, bei der 15. Austragung der 12h Külsheim.
So ein Wochenende muss ordentlich vorbereitet sein, deswegen hieß es schon am Donnerstag: packen, Verpflegung richten und den Grave Digger der Tags zuvor von der Eurobike bei mir eingetroffen ist, fahrtüchtig zu machen. Nach der Packorgie vergewaltigte mich Nadine, die „Tamara Hanken des Rheintals“ noch zwei Stunden auf dem Küchentisch, um sicher zu gehen das Knochen, Muskeln und Organe genau da sitzen, wo sie hingehören. Man könnte es auch Training im Bereich der Leidensfähigkeit nennen, eine Verwandtschaft zu der Sadistin Andrea Potratz ist nicht auszuschließen.
Es ist Freitag, Frühstück richten und Mayla in den Kindergarten bringen. Wir haben uns alle frei genommen. Emanuele kommt gegen 9 Uhr, wir wollen früh los, um dem Wahnsinn auf der der A5 zu entgehen. 3 Bikes, Ersatzlaufräder, Campingtisch, zwei Kühlboxen, reichlich Klamotten und Proviant. Wahnsinn, was man alles in nen Kangoo packen kann. Punkt 9.30 fahren wir ab, wir sind gut in der Zeit.
Eine Stunde ist vergangen, unsere Starteuphorie ist verflogen. Ein Vollpfosten der Autobahnmeisterei hat die glorreichere Idee, ein DIN A4 Blatt großes Schlagloch auf der A5 zu reparieren. Das Freitags beim größten Pendler- und LKW-Verkehr. Hierzu muss man natürlich die ganze Spur sperren und wir stehen genervt im Stau. Zwar rauscht auch schon die Polizei durch die Rettungsgasse, um mit dem Herrn im orangenem Baugewand über seinen Geniestreich zu philosophieren, hilft uns aber auch nicht mehr. Die weitere Fahrt wird zur Quälerei, Stau bei Karlsruhe und Stuttgart bis auf die A81 sorgen für Anreisestress. Ich klingle unterwegs bei Manuel und meinem Betreuer Christoph durch. Sie haben die Route über Waldshut auf die A81 gewählt. Vor ihnen ein Unfall, sie stehen seit 2 Stunden an der Unfallstelle…und schon bin ich wieder froh, dass wir vergleichsweise besser durchgekommen sind. Nach 5 Stunden erreichen wir das Militärgelände in Külsheim. In mitten von verlassenen Kasernen sind wir in einem Bungalow untergebrach. Darin haben wir das letzte von 6 Einzelzimmern ergattert. Es gibt’s ne Küche, mehrere Kühlschränke, ne Sitzecke und ein sauberes Zimmer mit 4 Betten. Das Ganze für 80€. Wohlgemerkt für 4 Personen und 2 Nächte!!!
Nach der Anreise überbrücken wir die Wartezeit auf Manuel und Christoph, erst mal mit ner kleinen Vesperpause. Eisgekühlter Espresso, Schokokuchen, Melone und Proteinpancakes. So langsam kommt wieder die Vorfreude aufs Rennen, generell bin ich ja immer happy, wenn’s was zu futtern gibt.
Von der Unterkunft aus sind es 5 Gehminuten zum Start, wir haben den Blick direkt auf die Rennstrecke…. Es fängt an zu gribbeln, ich will los, das letzte Training vor dem Rennen, ab auf die Strecke.
Die Strecke in Külsheim befindet sich auf einem alten Truppenübungsplatz. Schon der Start führt direkte in einen Single Trail Uphill, unmöglich hier zu überholen. Nach einer steilen Rampe wird man auf einer kräftezehrenden Wiese ausgespuckt. Es folgt eine Schotterstraße, die direkt auf den Übungsplatz der Bundeswehr führt. Auf nem Trail fährt man an den Übungsstationen hangeln, kriechen und klettern vorbei. Schön, dass ich diese Hindernisse nicht bewältigen muss. Der Trail führt uns auf ein Feld, hier ist eigentlich kein Weg, kein Trail, einfach nur ein Feld mit kräftezehrendem Gras. Es folgen die legendären Panzerhügel, 4 Stück an der Zahl mit dem richtigen Speed steht man hier in der Luft, mit der falschen Technik liegt man danach schön auf der Fresse. Auch der Rest der Strecke sind entweder zerfurchte Abfahrten, verwinkelte Trails oder fiese Wiesenaufstiege. Eine Runde macht hier Spaß, mehrere tun einfach nur weh. Mir wird schnell klar, die 12H WM aus dem Vorjahr war wie fahren auf dem Schulhof. Die Strecke saugt einfach nur Kraft. Mein Grave Digger sieht das ähnlich. Er hat gar keine Lust auf den Kurs am morgigen Renntag und quittiert den Dienst. Eine defekte Bremse, sowie ein loses Trettlager sorgen für Reparierfrust. Eigentlich hatte ich mir die Stimmungsschwankungen für den Renntag aufsparen wollen, doch es hilft nichts. Nach 2 Stunden schrauben, streiche ich die Segel und mache Aladdin fürs Rennen fit.
Mittlerweile sind Manuel und Christoph aufgeschlagen und die Truppe für den morgigen Tag ist vollständig. Wir lassen den Abend beim Italiener ausklingen und freuen uns auf den Renntag.
Samstag 06.00
Um 6 Uhr schreie ich ein fröhliches „aufwachen ihr Arschkrampen“ durchs Zimmer. Man sieht ich habe das militärische Flair schon verinnerlicht J Alle sind nun wach. Nach dem wir die Reihenfolge fürs Zähneputzen festgelegt haben, latschen wir zum Eventzelt. Dort gibt’s Frühstück für 5€, zwei Brötchen, 2 Kaffee und ein Müsli und die 12 Stunden können kommen.
Es folgt der erste Kraftakt: das Errichten des Fahrerlagers bzw. der Zweite, denn auf der Toilette war ich schon. So sind wir also ready. Manuel und Manuel fahren im 2er Team, Heiko und ich jeweils Solo. Christoph ist der Betreuer für diesen Tag.
Es folgt die Segnung vom Pfarrer, ehe uns der Startschuss auf die Hetzjagd eines Quads schickt. Man muss das Feld entzerren, ehe man die Fahrer in die Trails schicken kann. Das gelingt dem Veranstalter ganz gut. Ich selbst kann auf der ersten Runde zwar das Tempo der Top 3 Fahrer nicht halten, bin aber zumindest so schnell wie Emanuele und Manuel unterwegs. Die ersten 4 Runden spule ich im Tempo der Jungs ab, mal eine Runde mit Manuel, mal ein mit Emanuele.
Dann wird es Zeit mich zu verpflegen und meinen eigenen Rhythmus zu fahren. Ich nehme Tempo raus und werde prompt von einem Solofahrer kassiert. Der Junge trägt ein gelbes Trikot, ist vielleicht 20 Jahre alt und drückt mächtig aufs Tempo. Respekt, so jung schon ein Ultrarennen Solo zu fahren ist krass und dann noch in diesem Tempo. Ich ziehe einsam meine Kreise, mal werde ich von Team Fahrern überholt, manchmal überhole ich Team Fahrer die deutlich langsamer unterwegs sind. Doch plötzlich erscheint im steilen Anstieg vor mir ein bekanntes Trikot, mit unruhigem Oberkörper wuchtet ein Junger Mann die Berge hoch, sein Trikot ist gelb und er leidet. Es war der Junge von heute morgen und ich mache gerade wieder ein Platz gut. Es dauert lediglich zwei weitere Runden, da schlägt der Mann mit dem Hammer bei mir zu.
5 Stunden sind rum, bei mir geht gar nix mehr. Meine Rundenzeiten sind plötzlich 10 Minuten langsamer, außer ein abgebrochenes Stück Brot und ein Stück Waffel hab ich nichts Festes gegessen, der linke Fuß ist gerade taub und die Sonnen ballert unermüdlich. Es ist nicht mal Halbzeit und ich denk darüber nach aus dem Rennen raus zu gehen. Ich liege derzeit auf Platz 6, aber es sind noch 7 Stunden zu fahren. Momentan versuche ich zumindest die 6 Stunden Marke zu erreichen. Ich leide, mir geht’s elend. Irgendwann werde ich von Manuel überholt…ich selbst stehe geradezu mit meinem Rad.
Als Manuel im Fahrerlager eintrifft sind er und Christoph sich einig für heute soll´s das mit mir gewesen sein, da geht nichts mehr. Mich überholen Solofahrer, ich hoffe auf Überrundungen, aber es sind die Fahrer hinter mir. Ich verliere Platz um Platz. Der Kurs fordert die ersten Opfer, einer kollabiert in der Wechselzone und übergibt sich, ein weiterer legt sich in der Schotterabfahrt hin und ich sehe zum ersten Mal den Krankenwagen.
Plötzlich kommt aus dem Nichts ein Solofahrer und ich weiß gar nicht woher. Irgendwie muss ich ihn überholt haben, er ist auf jedenfalls in meinem Windschatten. Plötzlich legt er los „na wie läuft’s bei dir denn so? Bei mir hat schon wieder der Schafsrichter zugeschlagen, mein linkes Knie zwickt, letztes Jahr war ich schon mal Achter, aber nun bin ich wohl kein Konkurrent für dich.“
Atmen…Atmen…Atmen
Meine Fresse was läuft denn jetzt schief? Hat mir Christoph heimlich ein Schild auf den Rücken geklebt mit der Aufschrift „Hier fährt ein einsames Tamagotchi, welches viel Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit braucht?“
Alter, da kaut der mir einfach ein Ohr ab? Dein Zwicken im Knie und deine Vorjahresplatzierung interessieren mich so viel wie die Stuhlkonsistenz der Queen of England.
Selbst wenn du just in diesem Moment nen Darm6verschluss hättest oder ne Stimme zart wie die von Adele, ich kann und will mich nicht mit dir unterhalten. Glücklicherweise verschwand er von meinem Hinterrad, ehe ich die Kraft hatte ihm dies mitzuteilen.
Ich hadere noch immer mit dem Ausstieg, wenn’s dir in der nächsten Runde noch genauso beschissen geht, wird’s zumindest nicht schlimmer, also kannst auch weitertreten ist mein einziger Antrieb. Wo ist die Tamara Hanken, die nun mein linkes Bein mit dem rechten Arm verknotet, um dann mit ihrem Ellbogen meinen rechten Rippenbogen an mein linkes Ohr zu drücken oder meine Frau, die mit den liebevollen Worten „ jetzt stell dich nicht so an und trete weiter“ versucht mich anzufeuern. Mittlerweile habe ich zumindest Halbzeit und es wird Zeit für einen letzten Versuch, um wieder ins Rennen zu kommen. Ich baller nun alles in mich rein was eigentlich für die letzten Rennstunden gedacht war. Christoph macht mir auf dem Gaskocher eine pürierte Nudelsuppe warm. Ich habe die Flasche extra aufgebohrt damit ich den Brei auf dem Rad in mich reinpressen kann, meine Güte das war die beste Nudelsuppen meines Lebens. Danke an Erstköchin Pamela und Zweitkoch Christoph. Die Suppe wurde gefolgt von einer Flasche Cola, meine Güte das war die beste Cola meines Lebens. Getoppt wurde dies nur noch, durch ein Stück Banane, welches ich gleich mit zwei Gels runterspüle. Entweder ich würd aussteigen, kotzen und dann aussteigen oder weiter fahren, dies waren die pragmatischen Optionen für die kommende Stunde. Es sollte nun als letzter Akt noch das Runterkühlen des Körpers erfolgen. Leider hatte mir Christoph hier die Wasserflasche mit Panaceo angemischt und ich spritzte mir das teure Granulat mitten in die Fresse. Aus dem erfrischenden Gribbeln, wurde dann ein leichtes Brennen auf der Gesichtshaut. Aber auf diesen weitern Schmerzpunkt kam´s jetzt auch nicht mehr drauf an.
Stunde 7 ist rum, Christoph bestätigt mir, ich habe zwei Plätze eingebüßt und bin auf Rang 8 gelistet. Im nachfolgenden Anstieg springt mir dann die Kette vom Ritzel und ich muss vom Rad. Trotz dieses Vorfalls geht’s mir zumindest wieder besser. Nach den vergangenen Stunden war ich noch immer in den Top Ten. 5 Stunden sind immer noch verdammt lange, versuchen die Top 10 ins Ziel zu retten. Ees einfach gut sein zu lassen? Es bedarf einer Entscheidung wie es weiter geht. Jeder der mich kennt weiß, dass meine Entscheidungen gut bedacht sind, ich spiele verschiedenen Möglichkeiten durch, wäge Risiken ab und treffe dann dank meiner Erfahrung ganz besonnen und voller Überzeugung die dümmst mögliche Entscheidung.
Und auch hier wollte ich mir treu bleiben. In den kommenden zwei Sprintrunden wollte ich mir Platz 6 zurückholen. Aussteigen kann ich dann noch immer. Ich überhole 4 Solofahrer auf den anstehenden zwei Runden, bin aber noch siebter. Aktuell drehe ich so schnell die Runden, das Christoph mich sogar verpasst, weil ich plötzlich 8 Minuten schneller unterwegs bin. Es bedarf einer weiteren dritten schnellen Runde bis ich am Hinterrad von Wolfgang, dem Siebtplatzierten bin. Wolfgang sieht gut aus, er fährt konstant seinen Rhythmus, hat immer Druck auf dem Pedal. Ich bin zwar an seinem Hinterrad, aber die letzten Runden haben mir zugesetzt. Ich klebe Wolfgang am Hinterrad und überhole ihn kurz vor dem Trail, der zu Start und Ziel führt. Ich reiße ein Loch in der Abfahrt, als der Sprecher nun erwähnt das Platz 6 und 7 gerade durchfahren, wird auch Wolfgang bewusst, wo rum es hier gerade geht und er versucht die Lücke zu schließen. Nun klemmt er mir am Hinterrad, ich quatsch ihn nach ner halben Runde an, um etwas die Spannung zunehmen. Wir schenken uns trotzdem nix. Wir kämpfen um Platz 6, doch WTF, bei der nächsten Start-Ziel Passage hält er einfach an der Verpflegung an…und ich bin alleine vor ihm. Doch schon nach dem Trail Uphill kommen Krämpfe, bei ner kurzen Rampe muss sich vom Rad und laufe ein Stück. Diese Runde plus eine weitere ist noch möglich, wenn man entsprechend schnell unterwegs ist und vor Ablauf der 12 Stunden das Ziel erreicht. Wolfgang schließt in dieser Runde zu mir auf und überholt mich zugleich. Ich selbst verwalte meine Position, fahre ein Tempo welches keine weitere Runde mehr ermöglicht. Wolfgang passiert eine Minute vor mir auf Platz 6 das Ziel, auch er schafft keine weitere Runde mehr. Ich steige nach 11.32 vom Rad, werde Siebter und noch Sechster in meine Altersklasse.
Wie schon im Vorjahr schafft Heiko den Sprung auf Platz 3, Manuel und Emanuele erreichen Platz 11 bei den 2er Teams.
Am späten Abend soll´s dann was zum Essen geben, leider ist alles im Eventzelt ausverkauft. Es bleibt ein Steackbrötchen und die lausigste Currywurst die ich je hatte. Der Rest des Magens wird mit Bier aufgefüllt. Aber auch dies ist bezeichnend für die vielen Ups and Downs an diesem Wochenende.
Am Sonntagmorgen gibt’s noch schnell ein Frühstück vor der Heimreise. Das Navi spuckt erfreuliche 3 Stunden Fahrzeit aus…es werden dann jedoch 4,5 Stunden…wie soll´s auch anders sein 🙂
Vieles hätte an diesem Wochenende besser laufen können, vieles aber auch deutlich schlechter.
Bei meinem zweiten 12 Stunden Solo habe ich mich durchgekämpft und mit Platz 6 AK und 7 Overall mein bestes Ergebnis erreicht.
Das Event war einfach nur klasse, es hat mal wieder gezeigt, dass ein kleiner Verein mit viel Herzblut genügt um ein perfekte Veranstaltung zu organisieren. Ein schöner, harter Kurs, super Verpflegung (außer die Currywurst 🙂 Top Organisation (es gab sogar Zelte für die Fahrer) und jederzeit ein hilfsbereiter Ansprechpartner zur Stelle. Note 1 für die 12h von Külsheim.
In drei Wochen wartet das nächste Abenteuer mit den 24 Stunden von Schötz auf mich.