Tr!ckstuff Piccola-was kann das kleine Leichtbauwunder
Gut ein Jahr ist es her, da habe ich meinen letzten Test, damals noch für twentynineinches-de.com geschrieben. Ich selbst bin grundsätzlich immer offen, schon fast dankbar für neue Produkte der Bike Industrie. Denn schrauben am Bike macht mir genau so viel Spaß, wie das Fahren danach. Ich versuche dabei grundsätzlich unbefangen zu sein und erlaube mir erst ein Urteil, wenn ich das jeweilige Produkt gesehen, angefasst und getestet habe. Bei der Piccola war das aber gar nicht so einfach. Als Racer habe ich grundsätzlich eine große Affinität zu leichten Parts weshalb ich in den vergangen Jahren auch leichte Bremsen wie Sram XX Carbon und Shimano XTR M987 gefahren bin. Beide Bremsen konnten mich allerdings nur mäßig überzeugen. Bei den Leistungsmerkmalen wie Bremspower, Dosierbarkeit und Standfestigkeit zeigten beide Bremsen ihre Schwächen. Sie wollten einfach nicht zu meinen 82Kg Lebendmasse passen oder ich eben nicht zu ihnen. Experimente mit anderen Belägen und Scheiben brachte nur mäßige Verbesserung. Es kam der Tag als ich sagte, nie wieder eine 200 Gramm Bremse. So wurden die Bremsen vom Bike verbannt und durch „massivere“ ersetzt.
Gerade jetzt, als ich mein vernichtendes Urteil gefällt hatte, tauchte plötzlich diese Piccola auf. Da ich selbst aus der Metallbranche stamme, habe ich generell einen Faible für solche CNC Fräskunst, die Piccola war schon beim Betrachten im Katalog ein filigranes Stück Handwerkskunst, gepaart mit einem Stück Individualität, durch die verschieden wählbaren Eloxaltöne. Dennoch, Erscheinungsbild und Exklusivität ist das Eine, die Funktion aber das Andere. Wie allen anderen Leichtbaubremsen, attestierte ich ihr schon vorab eine ähnliche Performance wie den oben genannten Bremsen. Als mir Klaus Liedler dann aber die Chance gab, an eine Piccola zu kommen musste ich den Schritt tun und „der Kleinen“ tatsächlich auf den Zahn fühlen.
Und nun sind wir mitten drin, im Test der Piccola.
Bei der Spezifikation der Bremse wollt ich absolut ans Limit gehen. Die leicht-möglichste Kombination der Bremse wurde gewählt, bestehend aus:
•Piccola Pumpe und Geber —142g
•Trickstuff Power Belägen —20g
•Tr!ckstuff Dächle Ultraleicht Rotoren 160mm —84g
•Tr!ckstuff Sternschnuppe —29g
Man könnte mir jetzt bei der Auswahl unterstellen, ich habe von Anfang an vor diese Bremse an ihre Grenzen zu führen…genau das hab ich
Ich selbst bestellte die Piccola in schwarz mit goldenen Bremsgriffen. Ganz toll für mich war auch die Möglichkeit, vorab die Leitungslänge an Trickstuff zu übermitteln. Somit musste ich nach der Montage nicht noch die Leitungslängen kürzen, mir zusätzlich einen Entlüftungskit beschaffen und ging der Gefahr aus dem Weg, möglicherweise sogar die Performance der Bremse durch einen unsauberen Entlüftungsvorgang zu verschlechtern.
So kam sie also in edler Holzkiste zu mir, meine goldene Piccola, perfekt entlüftet mit passender Leitungslänge. Mit dabei in der Holzkiste eine Tr!ckstufftrinkflasche und ein Organspendeausweis !? Moment mal, ein Organspendeausweis? Funktioniert die Bremse denn so gut, dass ich selbigen vor der ersten Ausfahrt besser ausfüllen sollte? Auf Anfrage bei Tr!ckstuff kam umgehend von Klaus folgendes Statement:
Klaus Liedler
Egal, ob man eine gute oder eine saugute Bremse am Bike hat – „das Leben ist nun mal lebensgefährlich“ *. Und das Leben als Biker ist genauso gefährlich oder ungefährlich wie ein Leben als Nicht-Biker. Niemand bleibt ein Leben lang gesund, jeden kann es treffen. Und jeder würde sich freuen, eine Niere oder gar ein Herz zu bekommen, wenn er es braucht. Das hat mit dem Biken oder der Bremse gar nichts zu tun. Organspende ist ganz einfach eine gute Sache, und deshalb ist ein Organspendeausweis eine gute Sache. Dass wir den mit einer Bremse versenden und blöde Fragen aufkommen – da stehen wir drüber!
Ehrlich, pragmatisch, geil so ist meine Meinung zu der Sache!
So machte ich mich zunächst an die Montage der Bremse.
Bremsbeläge in den Bremssattel, dann die filigrane Carbonschelle der Bremse mit der Spannschraube versehen. Bei der Montage der Schelle am Lenker bedarf es etwas Fingerspitzengefühl, für einen leidenschaftlichen Schrauber zwar keine große Herausforderung, aber eben etwas aufwändiger, als mit einer einfachen Klappschelle. Die Spannschraube ist mit einem relativ kleinen 6-Kant versehen, achtet darauf, dass euer Werkzeug tadellos ist, so was dreht gleich „rund“. Den Bremshebel und somit den Druckpunkt stelle ich über die Schraube etwas weiter weg vom Lenker, allerdings ist bei der ersten Ausfahrt der Druckpunkt so stabil, dass ich diese Einstellung wieder Rückgängig mache. Die Befürchtung aus der Erfahrung heraus, dass der Druckpunkt unter Last etwas weicher wird und der Hebel zu nah an den Lenker kommt, bewahrheitet sich nicht. Für den Bremssattel benötigt man Idealerweise einen 6-Kantschlüssel mit Zapfen – ich hatte selbigen nur ohne Zapfen zur Hand
Zunächst hatte ich die Dächle UL Disc via 6 Loch Aufnahme am Laufradsatz montiert. Hier überzeugt die Scheibe mit perfektem Planlauf, noch nie hatte ich einen Bremssattel so schnell schleiffrei ausgerichtet. Erst als dieselbe Disc dann mit dem Centerlockadapter „Sternschnuppe“ montiert wurde, war der Planlauf schlagartig fürchterlich. Es ging auf Ursachenforschung und bei genauerer Betrachtung, habe ich einen Montagefehler gemacht. Zwar liegt die Sternschnuppe „richtig“ zusammengebaut in der Verpackung, bei der Montage hatte ich aber den Zahnring falsch herum auf den Laufradsatz geschoben. Somit hatte die Disc nicht die nötige Auflagefläche nach dem Festziehen der Centerlockmutter. Zwar gab’s hierfür nirgends einen Hinweis, dennoch, an alle beratungsresistenten Männer da draußen, nehmt euch die Zeit, geht auf die Tr!ckstuff Homepage und lest das Manual. Es kostet viel weniger Zeit, als später nochmals alles zu demontieren oder sogar einen Defekt durch Falschmontage zu provozieren.
Sämtliche Anleitungen, auch für das „Einfahren“ findet ihr auf dem Tr!ckstuff
Nach der richtigen Montage der Sternschnuppe, war auch wieder für Planlauf der Scheibe gesorgt.
Es stand nun die erste Testfahrt mit der Piccola an.
Ich selbst muss gestehen, ich hab das Einfahrprozedere nicht ganz so akribisch gemacht wie von Tr!ckstuff beschrieben. Zwar hab ich die Scheibe mit Ethanol gereinigt, aber auf das Anschleifen verzichtet. 5 Bremsungen mussten dann beim Einrollen reichen 🙂 So ging es nach kurzer Anfahrt in den Uphill zur „Hohen Möhr“, um in der nachfolgenden Abfahrt, in der gut 500 Tiefenmeter auf Trail vernichtet werden der Piccola die Sporen zu geben.
Die Abfahrt beginnt mit einem schmalen, zugewachsenen Flowtrail, hier ist Schleifbremsen angesagt, Gift für jede Bremse. Kurzes intensives Intervallbremsen würde mir hier den Flow nehmen, es laufen zu lassen ist gerade keine Option. In einer Serpentine muss ich mit Fingerspitzengefühl über die Wurzel zirkeln. Trotz des Schleifbremsens ist das Feeling für den Druckpunkt und Dosierbarkeit im Moment tadellos. Weitere Höhenmeter werden vernichtet, bis mich der Trail auf breiter Forststraße ausspuckt. Jetzt gibt’s richtig Tempo. Um die anstehende Spitzkehre zu meistern, muss die Piccola nun schlagartig 40Kmh Überschuss vernichten. Runtergebremst geht es in den nächsten Trail, dieser schlängelt sich mit Stufen, Serpentinen und Anlieger bis ins Tal. Die Piccola bediene ich mittlerweile intuitiv, der beste Indikator ob ein Teil funktioniert oder nicht. Denn erst wenn man sich keine Gedanken mehr um das Handling und die Performance eines Teils machen muss, hat es einen überzeugt. Auffällig auch, wie feinfühlig die Bremse auf meine Finger reagiert, ich selbst sürfe mit einem maximum an Gripp durch den feuchten Trail, gefühlt so schnell wie nie weil ich immer maximal verzöger ohne das mir die Räder blockieren. Bremskraft und Standfestigkeit ist nicht alles, man muss das Ganze mit der nötigen Dosierbarkeit kombinieren um schnell unterwegs zu sein, das gelingt der Piccola mit Bravur.
Irgendwann ist auch der schönste Trail zu Ende.
Nachdem die Euphorie der Abfahrt so langsam verblasst, ziehe ich ein erstes Feedback zur Piccola.
Diese erste Abfahrt hat die Bremse tadellos gemeistert, bei einer weiteren kommt ein Teilstück mit über 20% Gefälle. Jetzt, wo übermäßig viel Bremskraft am Vorderrad wirkt,nehme ich deutliche Vibrationen an der Front war.Optisch wird mir dies, durch ein vibrierendes Gabelcasting bestätigt. Nach weiteren provozierenden Bremsungen fast ausschließlich mit der Vorderadbremse bemerke ich, dass mit blockierter Gabel diese Vibrationen fast komplett verschwinden. Ohne ein finales Urteil zu fällen vermute ich hier ein zu geringe Steifigkeit der leichten Gabel mit schwerem Fahrer und 160mm Rotor. Ähnliche Erfahrungen hatte ich schon in der Vergangenheit mit leichten Gabeln und 160mm Rotoren an der Front gemacht. Ob ein 180mm Rotor hier Abhilfe schafft muss der Langzeittest dann zeigen, ob dieser dann aber wirklich notwendig ist auch, da diese Vibrationen wirklich nur bei maximaler Verzögerung in steilem Gelände auftreten.
Ich lasse meine Rennsaison Revue passieren.
Egal ob Sabine Spitz Trophy, die 12H WM in Penzberg, der Ultrabike oder auch die Marathon WM in Singen, keiner dieser Strecken hatte einen ähnlich anspruchsvollen Charakter was die Abfahrten betrifft. Ohne Rückschlüsse auf die Dauerleistung der Piccola zu ziehen, würde ich pauschal behaupten, die Piccola wäre hier sämtlichen Streckenprofilen gewachsen gewesen. Selbst wenn die Piccola im ersten Test hier mögliche Schwächen offenbart hätte, darf man nicht vergessen, dass ich immer noch mit der leichtesten Spezifikation bei 82Kg Körpergewicht unterwegs bin. Mit dem Griff zum 180mm Rotor der Dächle UL Disc oder gar zur standfesteren Tr!ckstuff HD (heavy duty) Disc hätte ich noch genügend Reserven in der Hinterhand. Und wem das nicht reicht, der stellt sich einfach eine individuelle Bremse z.B. aus Piccola Pumpe und 4 Kolben Direttissima zusammen.
Alles kein Problem bei Tr!ckstuff.
Auch wenn die Piccola nun noch ihre Dauerhaltbarkeit und Wartungsarmut unter Beweis stellen muss, möchte ich ein erstes Fazit zu diesem Intro ziehen.
Vorbelastet durch die negativen Erfahrungen mit anderen „Leichtbremsen“ hat Tr!ckstuff mit ihrer Piccola eindrucksvoll bewiesen, dass es auch besser geht. Die Frustration ist verblasst und ich freu mich auf weitere Testkilometer mit dieser Bremse. Man kann viel über die 375€ Anschaffungspreis diskutieren, ob man auf das kantige Design oder eher organische Formen wie bei gegossen Bremsen steht, ist sicher Geschmackssache. Dennoch muss ich ganz klar sagen, die Piccola ist mit 160g satte 50g leichter als meine XTR Bremse. In Sachen Bremsperformance spielt sie aber in einer völlig anderen Liga. Die deutsche Fertigungsqualität hat ihren Preis, überzeugt aber auch mit tadelloser Qualität und Oberflächenfinish. Die Piccola kann sich jeder Kunde individuell zusammenstellen, die Leitungslänge wird wie gewünscht angepasst und die Bremse wird in Freiburg akribisch montiert und entlüftet.
In Sachen Service setzt Tr!ckstuff wie auch in der Bremsperformance, Maßstäbe!!!
An der viel kritisierten, langen Wartezeit wird längst gearbeitet und es ist Besserung in Sicht.
Zu Testbeginn trug ich das Tr!ckstuff Logo auf dem Trikot, jetzt trage ich die Piccola in meinem Herzen. Ein Stück individuelle Handwerkskunst, welche schneller langsam macht.
Happy ride
Euer
Daniel