Fit zum Bike-fitting2

Herzlich willkommen zum 2. Teil von Fit zum Bike-Fitting

 

Im 1. Teil haben wir uns intensiv mit der Sitzposition beschäftigt, nun widmen wir uns dem Cockpit. Das Thema Cockpit ist jedoch wesentlich komplexer als unserer Sitzzentrale. Müssen wir dort (nach der Sattelwahl) lediglich die richtige Sattelposition, Neigung und Höhe finden, sind die Verstellmöglichkeiten bei unserem Lenker um ein Vielfaches höher und vor allem weniger eindeutig.

 

Bei der Lenkerhöhe gibt’s kein richtig oder falsch

 

Dass die Lenkerhöhe unseren individuellen Körpermaßen angepasst werden muss, steht außer Frage - nur in welche Richtung ist hier zu klären. Lassen wir mal unsere Rahmengeometrie außer Acht (hier entscheiden nämlich Tretlagerabsenkung, Steuerrohrlänge sowie Oberrohrlänge über die (Griff-) Position des Lenkers) bleiben auch so noch genügend Verstellmöglichkeiten, um die Griffposition zu verändern.

 

Doch was ist die ideale Griffhöhe?

 

Diese Frage lässt sich letzten Endes nicht klären und hängt ganz von der Vorliebe des Fahrers ab. Es gibt jedoch Tendenzen, die ich nachfolgend beschreiben werde.

 

Ein niedriges Cockpit

 

Ein niedriges Cockpit sorgt zwangsläufig für eine große Sattelüberhöhung, der Fahrer sitzt gestreckter auf dem Rad. Eine gestreckte Sitzposition bedeutet weniger Luftwiederstand, was gerade uns Racern besonders gefällt. Allerdings bedeutet diese gebeugte Haltung auch, dass wir weniger Sauerstoff in unsere Lungen bekommen, wodurch wieder Leistung verloren geht. Da gerade im MTB-Sport die Geschwindigkeiten im Vergleich zum Straßenradsport gering sind, sollte man sich genau überlegen, in welche Richtung man tendiert. Weitere positive Eigenschaften eines niedrigen Cockpits sind der niedrigere Schwerpunkt und „mehr“ Druck auf dem Vorderrad. Gerade in schnellen Bergabpassagen und bei schnellen Richtungswechseln sorgen ein niedriger Schwerpunkt und genügend Druck auf dem Vorderrad für mehr Speed und Vertrauen in den Kurven. Wird es dann aber technisch und steil, sorgt diese Position schnell für Überschlagsgefühle. Das Becken hinter den Sattel zu bringen, wird umso schwieriger. Doch nicht nur das Fahrfeeling wird beeinflusst, sondern auch die belasteten Muskelgruppen. Bei einer gestreckten Sitzposition nehme ich zwar Druck von meinem Gesäß, belaste aber die Arm-, Nacken- und Schultermuskulatur umso mehr. Zudem muss meine Rumpfmuskulatur nun noch eine Stützfunktion übernehmen, sollte sie doch voll und ganz als Gegenhalter für mein Beine fungieren.

 

Also doch wieder den Lenker hoch?

 

Dies sorgt für geballte Sauerstoffaufnahme, aber auch vollen Sitzdruck auf dem Hintern. Wer dann aber mit einem CW-Wert wie dem des Kölner Doms durch die Gegend fährt, braucht sich nicht zu wundern, wenn an steilen Rampen das Vorderrad plötzlich steigt, oder man im Rennen, mal abgehängt, den Anschluss an die Gruppe nicht mehr herstellen kann.

Als wäre es nicht schon schwer genug, die richtige Griffposition zu finden, gibt’s nun noch mindestens drölfzig Möglichkeiten, diese zu verändern.

 

Der Vorbau

 

Kein anderes Teil beeinflusst die Griffposition und das Lenkverhalten des Bikes so eklatant wie der Vorbau. Bei unterschiedlichen Längen, meist in 10 mm Schritten und bei einem Neigungswinkel von ~7 Grad, kann dieser wahlweise positiv wie negativ verbaut werden. Allein durch das Wenden des Vorbaus kommt das Cockpit (je nach Vorbaulänge) um 10 bis 15 mm weiter hoch bzw. runter.

 

Spacer

 

Zusätzlich zum Vorbau, entscheidet aber auch dessen Montagehöhe über die Griffposition. Mit sogenannten Spacern kann dieser unterlegt und somit die Lenkerhöhe korrigiert werden.

 

Lenker

 

Zu guter Letzt kommt nun noch der Lenker. Mit unterschiedlichen Erhöhungen, dem sogenannten „Rise“, können nochmals erhöhte Griffpositionen bis zu 30 mm oder mehr erreicht werden. Im Marathonbereich werden eher Lenker mit einem Rise bis 15 mm verwendet. Doch auch die Lenkerbreite spielt eine Rolle. Mit einem breiten Lenker fühlt man sich im technischem Gelände wesentlich wohler. Wandern die Arme jedoch weiter nach außen, sitzt man plötzlich wieder gestreckter auf dem Rad, was wiederum einen kürzeren Vorbau benötigt. Zusätzlich sind viele Lenker noch gekrümmt: 6 bis 9 Grad sorgen wiederum für einen Offset nach hinten. Allein beim Lenker sorgen also Rise, Breite und Krümmungswinkel für eine individuelle Griffposition. Kommen nun noch die Vorbau- und Spacervariationen dazu, ist die richtige Griffposition eher ein Glücksspiel.

 

Definitiv zu viele Parameter, um mit einem Bike-Fitting die ideale Position zu finden.

 

Erste Anhaltspunkte lieferte dann aber die Videoanalyse von Andrea: meine gekrümmte Rückenhaltung ist Zeichen einer eher gestreckten Sitzposition mit viel Sattelüberhöhung. Gerade bei den anstehenden Langstreckenrennen dieses Jahr wäre hier eher eine aufrechtere Sitzposition anzustreben. Um diesen Ansatz von Andrea zu untermauern, wurden ganz schnell zusätzliche Griffe auf meinen Lenker getaped. Diese Griffposition fühlte sich schon mal gut an. Zwar gibt dies keine Rückmeldung über das möglich Fahrverhalten, andrerseits kann man so ohne großen Aufwand eine mögliche Verbesserung beurteilen.

 

Generell sollte man sowieso kleine Veränderung vornehmen, diese dann aber nach und nach umsetzen.

 

Wer zu viel verändert, kennt später Ursache und Auswirkung nicht. Wer Änderungen nach und nach vornimmt, bekommt sofort Rückmeldung, welche Veränderung sich positiv und welche negativ ausgewirkt hat.

 

Warum dann überhaupt zum Bike-Fitting, wenn ich danach selbst optimieren muss?

 

Die Grundlage für eine Veränderung der Position sollte immer eine Analyse durch den Fachmann bzw. die Fachfrau sein. Zudem muss man erst einmal sensibilisiert werden, nicht jeder kann aufgrund von muskulären Verkürzungen oder Einschränkungen, jegliche erdenkliche Position auf dem Rad einnehmen. Schmerzen oder Beschwerden führen zwangsläufig zu Leistungsverlust. Ursachen und Auswirkungen werden erläutert, möglich Veränderungen diskutiert und dann erst umgesetzt. Dies ist Andrea eindrucksvoll gelungen. Ich selbst werde in dieser Saison einen Lenker mit 5 mm Rise und 9 Grad Offset versuchen und diesen zusätzlich noch mit einem Spacer mehr montieren. Meine Griffposition wandert also weiter nach hinten und nach oben. Somit werde ich etwas aufrechter unterwegs sein. Bei der 12 h WM ist dieser Komfort und die Entlastung von Armen und Nacken sicherlich von Vorteil. Zusätzlich habe ich die gewonnenen Infos in die Geometrie meines nächsten Rahmens einfließen lassen. Hier werden Tretlagerabsenkung, Steuerrohrlänge und Oberrohrlänge für eine optimierte Sitzposition sorgen.

 

Selbst nach 20 Jahren auf dem MTB lernt man nie aus. Die Veränderungen durch ein Bike-Fitting sind zwar maßlich betrachtet gering, haben aber nachhaltig eine große Auswirkung. Besserer Kraftfluss, weniger Ermüdungserscheinungen, Eliminierung des einen oder andern Schmerzpunktes sind die Ziele. Für mich waren die Erkenntnisse mit Andrea gefühlt ein richtiger Schritt, um meine ambitionierten Saisonziele zu erreichen. Ob ich nun schon die ideale Position gefunden habe oder es weitere Veränderungen braucht, werden die kommenden Kilometer zeigen. Allerdings habe ich durch diese Erfahrung nun genügend Informationen, um die „richtigen“ Veränderungen umzusetzen.

 

 

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