12H WM Penzberg

Und die Länge zählt doch, 12H WM in Penzberg

 

Eigentlich war es klar, irgendwann sollte dann der entscheidende Tag kommen, „der“ Tag des Jahres auf den alles ausgerichtet war. Bei mir fiel der Entschluss 2016. Es sollte mein erstes 12H Rennen werden, genauer gesagt die 12H WM in Penzberg, die am 3. Juni stattfand. 167 Stunden habe ich seit dem trainiert, meine längste Trainingseinheit war genau 6 Tage her, 5Std Rennrad waren es am vergangenen WE. Mitte der Woche war ich nach 1 Stunde bei 32 Grad total platt und rührte mein Bike nicht mehr an. So startete ich Freitags mit Manuel meinen Roadtrip nach Penzberg, voller Vorfreude auf die alten und neuen Teammates.

Bedingt durch den Urlaubsverkehr, schlugen wir erst gegen 19.30 an der Rennstrecke ein. 2 Runden Streckenbesichtigung, Hotelcheck, Duschen und mit den Teammates zum gemeinsamen Abendessen, sollte das straffe Programm für die kommende Stunde sein.

Das wir wahre Siegertypen sind, zeigte auch schon die Restaurantauswahl für den Abend. Hier hatten wir uns zielgerichtet, den grottigsten Italiener der ganzen Stadt ausgesucht. Hier lieferten sich Kellnerin, Koch und Reinigungskraft einen knallharten „Battle“, wer von den Dreien den beschissensten Job macht. Bei unserer Ankunft schien es so, als würden sie nun nochmals alles geben und dabei voll ins Laktat gehen.

 

Nach 2 Stunden war das Gemetzel nun endlich vorbei, das Wort „Vorbelastung“ hat seitdem eine ganz neue Bedeutung für mich. Auf dem Weg zum Hotel vollendeten wir unser Carboloading mit einem Becher Spaghetti Eis. Gegen 23 Uhr versanken wir in unseren Betten.

Der nächste Morgen begann essenstechnisch ähnlich gut wie der gestrige Abend. Zwar hatte sich die Hotelbesitzerin schon gewundert, warum so viele Radfahrer bei ihr eincheckten, davon, dass in 1000 Meter Entfernung heute eine 12H MTB WM stattfand, wollte sie aber nichts wissen. Dies war allerdings auch nicht verwunderlich, denn im Dorf hing nicht ein Werbebanner. Das wir überhaupt die Strecke gestern fanden, lag eher daran, dass wir zufällig Christian und Sven auf den Bikes trafen, die uns zu ihr begleiteten.

 

Um aber auf unser Frühstück zurück zu kommen, Essen gab’s im Hotel dann wie immer ab 7.30 Uhr. Zu dieser Uhrzeit sollten wir aber schon im Startblock stehen. Somit gab’s morgens um 6 Uhr ein Hardcorefrühstück im Hotelzimmer. Toast, Fertigwaffeln, ein Nutellaglas und zwei Gückli Instant-Espresso, was braucht ein Leistungssportler mehr!

Kurz nach 7 ging es dann zum Eventgelände, was diesen Namen eigentlich gar nicht verdient hatte. Weder Herstellerzelte noch Verpflegungsbuden - beim St. Martinsumzug im KiGa meiner Tochter ist definitiv mehr geboten, dachte ich mir.

 

 

Dennoch war die Stimmung gut, Kaiserwetter war angesagt und ich lernte vor dem Start noch einige Kollegen persönlich kennen. Allen voran Sascha Strauss, bis dato hatten wir nur Mail Kontakt in Sachen Reifenwahl. Nun gab’s endlich mal ne herzliche Umarmung, genauso wie bei Gerhard Steinl und Tina Hien, die später aufs Podest fahren sollte.

7.45 meldete sich dann auch mal die Rennleitung zu Wort: Werft kein Müll weg, fahrt vorsichtig, das Rennen wird nicht in der ersten Stunde entschieden. Peng Startschuss, ab jetzt 12 Stunden…

So lange das Rennen sein sollte, so kurz war das Vorgeplänkel. Ich selbst fuhr strikt nach Puls, 155 war die Vorgabe von Andrea. Ich ließ es gemächlich angehen mit 140 Puls, in den Rampen mal kurz auf 160 hoch. Nach 2 langsamen Startrunden mit je 15 Minuten, schien ich meinen Rhythmus gefunden zu haben. Meine Zeiten pendelten sich bei 13 Minuten ein, jedoch mit einer ersten Erkenntnis nach einer Stunde: bis dato war ich davon ausgegangen, dass sich die Rundendifferenz zu den Topfahrern erst gegen Rennende einstellen würde. Kai Saaler und Co. brannten aber so ein Feuerwerk in der Startphase ab, dass ich in meiner 4. Runde schon das erste Mal überrundet wurde. Kai sollte noch 7 weitere Male vorbeizischen. Die Ansage von Beni, Platz 38, unterstrich meine wohl gemütliche Anfangsphase.

 

Meine Gedanken fokussierten aber die ersten 4 Stunden des Rennens. Dies war nämlich meine durchschnittliche Trainingsdauer in der Vorbereitung. 4 Stunden, das kann ich und dann schauen wir, wie es weiter geht. 4 Stunden waren geschafft, die 6 Stundenmarke also Rennhalbzeit sollte mein nächster Meilenstein sein. Mittlerweile begann die erste kleine Leidenszeit, der Rhythmus war nicht mehr so flüssig, die Runden mit 14 Minuten nun wieder 1 Minute langsamer. Die Mittagswärme stellte sich ein und es war eine zähe Angelegenheit, bis ich endlich in die 2. Rennhälfte eintauchte. Mittlerweile war ich nur auf mich fokussiert, den Überblick im Rennen hatte ich längst verloren. Ich wurde mehrfach überrundet, habe aber selbst Position gut gemacht, hatte mich wohl sogar zurück gerundet (laut Aussage eines Fahrers, der mich aber nun gerade wieder überholte). Nur noch weiter treten, die Motivation nicht verlieren, jeden Einzelstarter den ich nun überholte, versuchte ich anzufeuern und zu motivieren. Zuvor jedoch stellte ich mich mit Namen vor, erzählte von dem coolen Team für das ich fahre und erklärte ihm ausgiebig, wo er das Anmeldeformular finden würde...fliehen konnte keiner.

 

In Stunde 7 und 8 schien es so, als würde ich Plätze gut machen können. Der Zwischenstandsbericht von Beni sagt Platz 25. Doch in Stunde 9 und 10 schien dann meine Tiefphase zu beginnen. Fahrer die ich in den 2 Stunden zuvor passiert hatte, fuhren nun reihenweise wieder nach vorne. Meine Rundenzeiten zeigten mehrfach 15 Minuten an und es waren noch mehrere Stunden zu fahren. Bis dato war ich nur auf Waffeln mit Erdnussbutter unterwegs, da der Magen schon etwas rebelliert, traute ich mich nicht zum Gel oder Ähnlichem zu greifen. Wenns mir jetzt den Magen umdreht ist die Sache aus. Der Puls knackte schon längst die 130 Marke nicht mehr und ich schleppte mich nur noch durch die Runden. Die Handballen und Fußsohlen schmerzten, dass ich teilweise freihändig bergauf fuhr, in den Abfahrten die Füße vom Pedal nahm, um mich etwas zu schütteln. Ich schleppte mich zur 10 Stunde Marke. Ab hier hatte ich mir vorgenommen auf Gel zu gehen und mich mit Sponser Coffein wiederzubeleben. Die Wirkung war brachial, hätte ich das gewusst, wäre ich schon 2 Stunden früher umgestiegen. Zwar schoss mein Puls durch 100g pures Coffein gerade mal auf 140 hoch, aber die Rundenzeiten sanken zunächst auf 13, danach sogar auf 12 Minuten. Dies schien meine Zeit zu sein, Kopf und Beine waren wieder mobil. Nein, ich brauchte kein großes Event, keine Streckenschilder und auch keine gute Pizzaria. Ich war auf meiner WM, hatte Teamfahrer die mich jede Runde anfeuerten, mit Benni „Flex“ Flechsenhaar und Marco „Bierkalle“ Fischer zwei tolle Betreuer und ne Strecke, die mir mit jeder Runde Spaß machte.

Zunächst fuhr ich die Leute auf, mit denen ich mich zur Mittagszeit schon duelliert hatte dann schaffte ich es sogar innerhalb von 4 Runden mehrere Überrundungen zu negieren und an diesen Fahrern vorbei zu ziehen. Gerade als es in die letzte Rennstunde ging, mein Boost schon wieder am verpuffen schien, schrie mich Beni wie verrückt an: „Du hast 5 Minuten auf Platz 4 und noch 4 Runden Zeit.“ Nein das möchte man nicht hören, man möchte nach 11 Stunden das Ding nach Hause fahren, nicht um Plätze kämpfen. Doch meine Betreuer liefen zur Höchstform auf.

Sie verteilten sich über die Strecke, um mich mehrfach pro Runde anschreien zu können, reichten mir Gel und offene Trinkflaschen um Kopf und Beine zu kühlen. Ich konnte gar nicht anders und musste nochmals aufdrehen. 2 neue Bestzeiten um die 12 Minuten drückten den Rückstand auf 3 Minuten bei noch 25 verbleibenden Minuten. Ich schaffte es sogar, mir eine Überrundung von Kai Saaler zurück zu holen, der bis dato die Masters 1 Klasse anführte. Im Anstieg sah ich Fahrer vor mir, die Hoffnung der Gejagte (der aktuell 4te) sei dabei, keimte in mir. Auf der nächsten Abfahrt kam ich einem Verdächtigen immer näher, der wiederum drehte sich nach mir um, bevor wir in den Trail einbogen. Plötzlich traute ich meinen Augen kaum, er parkte brav an der Seite und ich fuhr easy vorbei. Eine Sekunde später hörte ich es nur aus dem Wald schreien „Scheiße, verdammt“. Ich schrie zurück: „Warst du vor mir?“ Er zurück: „Ja“. Ich war wohl so schnell näher gekommen, dass er dachte, ich wär ein schneller Mann aus einer Teamwertung. Nichts desto trotz konnte er meiner Pace nicht folgen. Ich kam als Vierter über Start und Ziel - noch 13 verbleibende Minuten um ein Runde zu fahren. In der letzten Runde fuhr dann Manuel zu mir auf, er nahm Tempo raus und wollte mir Geleitschutz bieten.

Im Synchronflug überholten wir noch Fahrer, die sich in der 2er Teamwertung bekämpften. Im 2. Streckenteil begann dann Manuel einige Meter vor mir lauthals zu gestikulieren. Ich verstand ihn nicht, da mir nach einer Rampe die Kraft zum Beschleunigen fehlte und er einfach schneller war. Erst als ich dann nach 11.59 das Ziel erreicht hatte, erklärte mir Manuel, dass nur die Runden gewertet werden, die man vor 12 H bewältigt. Ich hatte mich als gerade noch 1 Minute vor Ablauf ins Ziel gerettet und sicherte mir nun den 4 Platz in der Masters 1 Wertung mit 1 Runde Vorsprung auf den 5. Platzierten. Ich wurde von meinen Teamkollegen in den Arm genommen und sank dann etwas angeschlagen zu Boden.

Ein unglaublicher Tag ging für mich zu Ende. Angetreten um Durchzukommen, schaffte ich Rang 13 in GK und Platz 4 in der AK.

 

Am Eindrücklichsten waren für mich die Höhen und Tiefen, die in diesem Rennen jeder hatte. Manchmal mag der Kopf nicht, manchmal die Beine. Dann geht’s dir wieder besser, wirst aber plötzlich überrundet. Es geht dir elend und gewinnst plötzlich Positionen, weil es deinen Mitstreitern noch dreckiger geht.

 

Wieder bin ich um eine Erfahrung reicher, habe meine Grenzen verschoben und habe eine (persönliche) Härteprüfung gemeistert.

 

Ich möchte mich bei meiner Familie, meinem Team und meinen Betreuern bedanken, sowie allen Mitstreitern, die an diesem Tag mit mir gelitten haben.

 

Die 10 Weisheiten des 12h Rennens

 

1.Das Rennen geht 12H, egal wie schnell du fährst

2.Der Gedanke: Warum mache ich den Scheiß kommt zwar recht spät, hält dafür recht lange an

3.Die Euphorie im Ziel „Das mach ich gleich nochmal“ fehlt gänzlich

4.Du bist nur so stark wie dein Team das hinter dir steht

5.(Papa) Wenn du nicht gewinnst, musst du einfach nur schneller fahren (Soe May, 2 Wochen vor Rennstart)

6.Heul nicht rum, das sind nur 2 lange Marathons am Stück (Andrea Potratz, 2Tage vor Rennstart)

7.Geh in Penzberg niemals italienisch Essen

8.Halte immer rechts an wenn schnelle Fahrer von hinten kommen (besonders wenn ich es bin)

9.Ein 24h Rennen, geht quasi doppelt so lange

10.Kilometer, Rundenzeiten, Platzierungen…drauf geschissen, Hauptsache im Ziel

 

53 Runden fuhr ich bei der WM in Penzberg.221KM und 3500HM zeigte mein Garmin. Runde 53 war die Schnellste.

 

Hier mein Rundenprotokoll

 

Copyright @ All Rights Reserved